Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Flug erschienen, wirkte sie nun quälend langsam, wie die eines altersschwachen Fischkutters, der
kaum gegen die Strömung ankämpfen konnte. Sie zwang sich, auf ihre Taschenuhr zu schauen, um die Zeit zwischen den Salven der Géronaee zu messen. Eine Minute war verstrichen, dann zwei, dann drei. Schon längst hatte der böige Wind den Pulverdampf fortgeweht. Die Sekunden schlichen vorbei, dann feuerten die Fregatten wieder. Diesmal war die Breitseite abgehackt, unregelmäßig, mit einigen Nachzüglern. Schon bei der zweiten Salve nicht mehr im Einklang , stellte Roxane missbilligend fest, auch wenn sie die Erkenntnis natürlich erfreute. Diesmal saßen die Schüsse genauer, doch der größte Teil ging um die Mantikor herum nieder. Zwei Kugeln pfiffen durch die Takelage, stanzten Löcher in die Segel, richteten aber weiter keinen Schaden an.
»Jagdgeschütze: Feuer frei!«
Bevor ihre Stimme ganz verklungen war, brüllten die beiden Kanonen im Bug auf. Rauch verdeckte für einen Moment die Sicht, ehe er vom Wind zerfasert und fortgezerrt wurde. Roxane konnte nicht erkennen, ob sie getroffen hatten, aber das Schweigen der Mannschaft deutete an, dass niemand einen Einschlag gesehen hatte.
»Was auch immer in der Sturmwelt an Bord dieses schwarzen Schiffes war, es ist wieder in der Nähe«, stellte Groferton lakonisch fest und zog die Nase hoch. Der Maestre hatte vor Kurzem über eine furchtbare Erkrankung geklagt, von der Roxane allerdings annahm, dass es lediglich eine Erkältung war. »Ich werde also – wieder einmal – relativ nutzlos für die Sicherheit des Schiffes sein.«
»Danke für die Meldung, Thay«, erwiderte Roxane geistesabwesend. Ähnliches hatte sie schon befürchtet und ihren Plan daher so ausgearbeitet, dass sie ohne Magie auskommen würden.
»Ich bin mir sicher, es gibt einen Grund, warum die Einheit es immer wieder für angemessen hält, mich in die Nähe
dieses unnatürlichen Phänomens zu bringen, auch wenn ich beim besten Willen nicht ahnen kann, welcher das sein mag«, fuhr Groferton verschnupft fort, doch Roxane war mit ihren Gedanken schon nicht mehr bei ihm.
Die Fregatten feuerten erneut. Bevor der Kanonendonner sie erreichte, erzitterte die Mantikor unter mindestens einem Einschlag. Taue rissen mit lautem Knall, ein Toppsgast wurde von einem umherpeitschenden Ende aus seiner luftigen Position geschleudert und stürzte schreiend herab. In Erwartung des blutigen Aufschlags kniff Roxane unwillkürlich die Augen zusammen, doch der Mann wurde drei Meter über dem Deck wie von Geisterhand gebremst und glitt den Rest wie eine Feder herab.
Neben ihr brach Groferton in Husten aus und senkte die erhobenen Arme.
»Verdammtes Mistwetter«, knurrte er, dann sah er Roxanes Blick und fügte hinzu: »Noch bin ich einsatzbereit, Thay, und da ich später kaum gebraucht werde, kann ich meine angeschlagenen Kräfte auch jetzt einsetzen, nicht wahr?«
»Natürlich«, erwiderte die Kapitänin mit ernster Miene. Über das Hauptdeck waren bereits Tabards Helfer herangestürzt und trugen den Verletzten den Niedergang hinunter. Wenn sie weiter so langsam feuern, müssen wir nur noch vier oder fünf Salven durchstehen, bevor wir dran sind , rechnete Roxane kurz nach.
»Jagdgeschütze: Freies Feuer!«
Das Donnern ihrer eigenen Kanonen war vor allem für die Moral der Besatzung gedacht, denn mit zwei Geschützen konnten sie den Feinden nicht wirklich etwas entgegensetzen. Sie waren eher dafür gedacht, flüchtende Händler zur Räson zu bringen, als im Gefecht eingesetzt zu werden.
Diesmal erklang jedoch ein triumphierender Schrei, noch bevor der Rauch sich verzogen hatte, und Roxane wurde in
ihrer Entscheidung, die besten Geschützmannschaften an die Jagdgeschütze zu setzen, bestätigt.
Inzwischen konnte man die Einzelheiten der feindlichen Schiffe ausmachen. Zumindest das größere Schiff war neueren Datums, auch wenn es von den wirklich modernen Fregatten bereits wieder in den Schatten gestellt wurde.
Die nächste Salve ging zu weit, vermutlich dem hohen Tempo der Mantikor geschuldet. Doch dann waren sie zu nah dran, um dem Feuer der Fregatten zu entgehen. Roxane stoppte die Zeit nicht mehr, aber sie spürte, dass die Géronaee sich einschossen und tatsächlich die Frequenz erhöhten, während ihre Kugeln immer gezielter auf die Mantikor niedergingen.
Planken splitterten unter den Einschlägen, Segel wurden eingerissen, Splitter schossen wie Projektile durch die Luft. Ihr Gegenfeuer war wenig
Weitere Kostenlose Bücher