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Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Titel: Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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auf.
    »Jaq, hilf mir!«
    Der Aufruf riss den jungen Hiscadi aus seiner Lethargie. Mit einem Schlag drangen all die Geräusche der Schlacht auf ihn ein, die Gerüche und der Geschmack von Pulver, Blut und Meer in der Luft. Er kniete sich hin, packte den Soldaten an den Schultern und drückte ihn zu Boden. Bihrâd riss das Hemd auf, das bereits von Blut getränkt war. Die Kugel war von oben gekommen und direkt neben dem Hals in den Leib gefahren. Der helle Lebenssaft des Mannes benetzte Jaquentos Hände, und der Soldat wehrte sich nicht mehr. Fragend blickte Jaquento Bihrâd an, doch der Maureske schüttelte nur den Kopf. Plötzlich fokussierten sich die Augen des Sterbenden auf Jaquento, und seine Hand krallte sich in dessen Seite.
    »Ich will nicht sterben«, keuchte der junge Mann, auf dessen Wangen kaum der erste Bartflaum stand. »Ich will nicht.«
    Seine Tränen vermischten sich mit dem Blut, das ihm ins Gesicht spritzte. Die Atmung des jungen Mannes wurde immer schneller, als ertrinke er mitten auf dem Deck der Mantikor .
    »Ich weiß«, antwortete Jaquento leise, unfähig, etwas anderes hervorzubringen. Er wollte dem Jungen Mut zusprechen, ihm sagen, dass alles gut würde, doch die Lügen kamen ihm angesichts des Todes nicht über die Lippen.
    Der Griff des Soldaten erschlaffte, und auf eine schwer bestimmbare und dennoch deutliche Art wich das Leben aus seinem Blick. Ein letzter, seufzender Atemzug, dann war es vorbei.
    Obwohl er den jungen Mann nur wenige Minuten gekannt hatte, spürte Jaquento einen plötzlichen Verlust, wie einen
Stich in seinem Herzen. Er trauerte um das Leben des Soldaten, das nun unvollendet bleiben würde, wie eine Geschichte, die niemals fertig erzählt wird.
    Jubel riss ihn aus seinen Gedanken. Als er aufsah, bemerkte er, dass die Unerschrocken das Feuer eingestellt hatte. Eine weiße Flagge schwang deutlich sichtbar am Heck, und Jaquento konnte auch den Grund sehen: Das Schiff war halb zerschlagen, der Großmast war nach hinten weggebrochen, der Fockmast nicht mehr zu sehen. Die Bordwand war durchlöchert, Rauch stieg aus dem Rumpf auf. Der junge Hiscadi konnte die Schreie der Géronaee hören, unmenschliche Laute der Schmerzen und des Leidens, die ihr Echo im Rufen der Thayns fanden.
    »Kappt die Taue!«, befahl Roxane mit fester Stimme, obwohl ihre linke Gesichtshälfte mit geronnenem Blut bedeckt war. Sie presste ein blutgetränktes Tuch auf ihren Kopf, aber ihre andere Hand wies die Besatzung weiter an, zeigte unmissverständlich, wo sie arbeiten mussten. »Werft das alles über Bord!«
    Matrosen machten sich hektisch ans Werk, durchtrennten Taue mit Beilen und Entermessern, schoben die halb zerfetzte Großuntermarsrah mit einem gemeinsamen Schrei über die Bordkante. Andere trugen Verletzte unter Deck, in das Lazarett. Oder in die Schlange davor , dachte Jaquento. Es müssen viele Dutzend sein .
    »Räumt mir das Deck frei! Es ist noch nicht vorbei!«
    Die Fregatte rollte und gierte unter Wind und Strömung, die wenigen verbliebenen Segel wurden gegen die Masten gedrückt, aber schon reagierte das Schiff wieder auf die Kommandos und drehte sich in den Wind.
    Sinosh sprang von Jaquentos Schulter und flitzte auf die Reling, von wo aus er die Totwey mit seinen goldenen Augen fixierte.

    »Steuerbordbatterie laden und ausfahren«, brüllte die Kapitänin. Auf ihrem Weg über das Achterdeck kam sie zu Jaquento, und sie sah ihn an, als sähe sie den jungen Hiscadi zum ersten Mal. »Ihre Echse hatte …« Ihr Blick fiel auf den toten Marinesoldaten, und ihre Lippen wurden zu einem schmalen Strich.
    »Musketenkugel«, brachte Jaquento hervor, dem der Rauch in der Kehle kratzte.
    »Sein Name war Jenks«, erklärte Roxane bitter.
    »Na, dann bekommt die Familie Jenks demnächst ja eine schöne Pension.«
    Kaum hatte er die Worte geäußert, bereute Jaquento sie bereits, aber es war zu spät. Roxanes Augen verengten sich, und sie nickte steif.
    »Halten Sie Abstand, Jaquento. Wir bringen das jetzt zu Ende.« Ihre freie Hand deutete auf Todsünde und Totwey , die gerade Segel setzten. »Ihr Freund hatte wohl gedacht, seine Eskorte könnte ihn beschützen. Jetzt wird er eines Besseren belehrt werden.«
    »Deguay ist nicht mein Freund«, erwiderte Jaquento knurrend. »Wenn ich könnte, würde ich ihm sein schwarzes, verlogenes Herz herausreißen.«
    Sie nickte ihm zu und wollte sich abwenden, aber er packte sie am Arm und sah ihr in die Augen.
    »Bringt es zu Ende, Meséra, richtig zu Ende.

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