Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
effektiv, und schon bald hatte die Schiffsärztin in ihrem Lazarett mehr als genug zu tun, und die ersten Toten wurden hinabgetragen. Blut lief über das Deck, vermischte sich mit dem Seewasser, das über den Bug spritzte, und floss in hellen roten Bahnen ins Meer. Noch immer fuhr die Mantikor unter vollen Segeln, als wäre das Feuer des Feindes nichts weiter als lästige Mückenstiche, obwohl die Schreie, die von den Verletzten zu ihnen heraufdrangen, etwas anderes verkündeten.
Die Géronaee verließen sich auf das überlegene Gewicht ihrer Breitseiten, und als sie bemerkten, was Roxane plante, war es bereits zu spät.
»Segel reffen!«
Alles hing jetzt davon ab, dass ihr Plan exakt so ausgeführt wurde, wie sie es vorgesehen hatte. Und davon, dass ich den Wind und die Strömung richtig einschätze. Sind wir zu langsam, geraten wir ins Kreuzfeuer, sind wir zu schnell, setzen wir uns zu früh auf ihre Leeseite und damit ihrer Gnade aus . Mit bangem
Herzen verfolgte die Kapitänin die Arbeit der Matrosen. Trotz der Verluste und Beschädigungen arbeitete die Besatzung schnell und effizient. Wie sie es befohlen hatte, wurden Taue notfalls gekappt, wenn es nicht anders ging, und Segel einfach auf Deck hinabgelassen. Die Takelage der Mantikor sah schon bald so aus, als wäre das Schiff das Spielzeug eines Riesenkindes, das ihre Leinwand einfach zerpflückt hatte.
Ohne die große Segelfläche wurde das Schiff langsamer. Die Fregatten reagierten, doch ihre Rümpfe drehten sich nur schleichend, und die Besatzung, die an den Segeln hätte arbeiten können, war unter Deck bei den Kanonen. Im Gefecht waren die Schiffe schwerfällig und konnten nur langsam reagieren. Und genau darauf hatte Roxane gesetzt.
»Das Ganze an die Geschütze!«, brüllte Roxane. »Ausfahren und Feuer nach Ziel!«
Mit dem letzten Schwung ihrer wilden Fahrt und ein wenig Hilfe des Windes glitt die Fregatte zwischen ihre beiden Feinde. Die Géronaee mussten gedacht haben, dass sie sich zum Duell Breitseite gegen Breitseite stellen würde, wie es übliche Taktik war, doch die Mantikor tat ihnen den Gefallen nicht. Roxane spürte das vertraute Rumpeln, als die Stückpforten aufklappten und die schweren Geschütze ausgefahren wurden. Sie hatten die beiden Geleitschiffe mit heruntergelassenen Hosen erwischt, mitten in der Wende, unfähig, die eigene Breitseite anzubringen. Kaum noch ein Matrose war an Deck, abgesehen von den Mannschaften an den kleineren Stücken. Roxane hatte ihre Besatzung bis zum Limit eingesetzt, auf beide Seiten verteilt, mit gefährlich kleinen Mannschaften an jedem Geschütz. Feuer , betete sie inbrünstig. Feuer!
Die Mantikor antwortete auf ihre stummen Bitten. Flammenzungen schossen aus dem Rumpf, das Schiff bockte unter der Gewalt. Eine Kanone nach der anderen spie eisernen
Tod auf ihre Feinde, während die Fregatte sie langsam passierte. Rauch stieg auf bis zum höchsten Mast, Musketen wurden abgefeuert, Stimmen schrien, doch alles versank in den stakkatohaften Schüssen der Kanonen.
Roxane konnte die Einschläge auf der großen Fregatte sehen. Holz spritzte davon, als sei es nicht substantieller als Wasser, ganze Rahen krachten durch die Takelage, und das Schiff brach sein Manöver mitten in der Wende ab.
Auf der anderen Seite wurde das kleinere Schiff weniger hart getroffen, und Roxane fällte ihre Entscheidung in den Bruchteilen einer Sekunde.
»Ruder hart backbord!«
Die Mantikor legte sich auf die Seite, ächzte wie eine alte Dame, aber ihre Geschütze feuerten unbeirrt weiter. Unter Deck musste inzwischen die Hölle los sein, Rauch, Schreie, Geschützdonner, Pulveräffchen, die zwischen den Mannschaften umherliefen. Und inmitten des Chaos die gebrüllten Befehle der Fähnriche, der Nuklei der Geschützmannschaften, die auch unter diesen Bedingungen perfekt eingespielt sein mussten.
»Alle an die Backbordgeschütze!«
Ein kurzer Stich riss Roxane aus ihrer Konzentration. Blut lief ihr die Wange herab, und sie wischte es ärgerlich aus ihrem Auge.
»Feuer nach Belieben!«, brüllte sie, so laut sie konnte. Ob ihr Befehl weitergetragen wurde, konnte sie nicht sagen, aber ihr Schiff kämpfte und feuerte weiterhin.
Die kleinere Fregatte versuchte hektisch, ihr Heck von ihnen fortzudrehen, doch sie reagierte zu langsam. Das Feuer der Mantikor war mörderisch, und sie beharkte das ungeschützte Heck ihres Feindes. Die Geschosse würden die Länge des Schiffes entlangrasen, kaum durch die Bordwand gebremst, durch
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