Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Schotten schlagen, Kanonen aus ihren Lafetten schleudern,
Menschen zerfetzen und zerschlagen. Aus dieser Distanz traf jeder Schuss, während die Mantikor das Heck fast gemächlich passierte. Aber Roxane konnte kein Mitleid mit den Seeleuten auf dem anderen Schiff empfinden, sondern sah sich bereits nach der Sechsunddreißiger um, die wieder Kontrolle über ihren Kurs erlangt zu haben schien und sich an die Verfolgung der Mantikor machte.
Während die kleinere Fregatte von ihrem tödlichen Sturm aus Eisen und Feuer zerschossen wurde, waren die Beschädigungen an ihrem größeren Feind auf den ersten Blick lange nicht so schwerwiegend, wie Roxane gehofft hatte. Dann müssen wir uns zum Duell stellen , dachte sie und spürte einen eisigen Knoten in ihrem Magen.
» Mantikor ! Mantikor !«, brandete der Jubel ihrer Besatzung zu ihr empor, als der Hauptmast der kleinen Fregatte unter viel Getöse kippte und zur Seite in die See stürzte. Ein Gewirr aus Segeln, Rahen und Takelage hing im bleigrauen Meer, und für einen Moment wirkte es auf Roxane wie ein Verwundeter, dessen Eingeweide herabhingen. Aber sie wusste, dass das eigentliche Gefecht gerade erst begonnen hatte.
JAQUENTO
Obwohl um ihn herum ein Gefecht tobte, dessen Lärm und Chaos alles verschlang, fühlte sich Jaquento seltsam fern vom Geschehen. Kanonen brüllten auf, Kugeln schlugen ein, Holz barst, Taue rissen, und immer wieder schrien Menschen vor Schmerzen auf, aber der junge Hiscadi war kein Teil des Kampfgeschehens, sondern bloßer Zuschauer. Die Mantikor lag Seite an Seite mit der Unerschrocken , wie es stolz am Heck stand, und tauschte Breitseite um Breitseite mit dem größeren Schiff aus. Die Zerstörung schien Auge und Geist fast zu überfordern, Segel hingen in Fetzen, ganze Rahen waren von den Masten geschossen worden, und Blut lief über das Deck und färbte die Taurollen rot. Aber Jaquento selbst hatte in diesem Getümmel keine Aufgabe und kein Ziel. Auch Sinosh war ungewöhnlich ruhig; die kleine Echse saß auf Jaquentos Schulter wie eine Statue, unbewegt und still.
Bihrâd hatte sich hinter die Schanz geduckt. Ihr Bewacher, ein Marinesoldat, kniete neben ihnen, feuerte seine Muskete unermüdlich ab, lud nach, feuerte wieder in ruhigem Rhythmus. Er beachtete die Gefangenen gar nicht. Immer wieder bohrten sich Musketenkugeln auf dem Achterdeck ins Holz, und Jaquento konnte die Schützen oben auf den Masten der géronaischen Fregatte erkennen, das Mündungsfeuer flammte dumpf im Pulverrauch auf, der beide Schiffe trotz des harten
Windes einhüllte. Die Géronaee schossen schon lange vereinzelt, eine lange Serie von Kanonenschüssen, während die Mantikor eine Breitseite nach der anderen in einem irrwitzigen Tempo in ihren überlegenen Gegner pumpte. Obwohl er Gefangener an Bord war, kam Jaquento nicht umhin, die Disziplin der Besatzung in dieser Lage zu bewundern. Es war, als befänden sie sich in einem Manöver statt in einem verzweifelten Kampf auf Leben und Tod.
Die Kapitänin lief auf dem Achterdeck auf und ab, dirigierte ihre Leute, rief Befehle und hielt das Schiff trotz der Verluste unter Kontrolle.
Neben dem jungen Hiscadi knallte die Muskete des Soldaten, er setzte sie ab und begann, den Lauf zu reinigen. Unbeteiligt betrachtete Jaquento, wie der junge Mann eine Pulverkartusche aus seinem Bandolier zog, sie mit den Zähnen aufriss und das Pulver geschickt in den Lauf schüttete.
»Keine Magie«, murmelte Bihrâd und lenkte Jaquento ab.
»Was meinst du?«
»Keine Magie. Niemand nutzt Magie. Das muss an dem schwarzen Frachter liegen.«
Irgendwo auf ihrer Leeseite lagen ihre eigentlichen Ziele, aber Jaquento konnte sie durch den Rauch und die zerstörten Teile von Takelage und Segelwerk nicht sehen. Um die Totwey und die Todsünde fand dieser Kampf statt. Die Schlacht führten sie letztlich gegen Deguay. Dies war die Rache für den Verrat des Kapitäns.
»Wir erwischen den Bastard noch«, schwor sich Jaquento leise. Sollen mich die Thayns doch danach aufknüpfen, aber Deguay nehme ich mit in die Abgründe der Tiefe !
Der Soldat brach unvermittelt zusammen, gespenstisch lautlos. Seine Muskete klapperte auf das Holz, und seine Arme und Beine zuckten unkontrolliert.
Sofort kniete Bihrâd neben ihm. Blut schoss in einer Fontäne
aus dem Hals des jungen Mannes, der unglaublich blaue Augen hatte, wie Jaquento jetzt erst bemerkte. Der Maureske riss die Uniformjacke auf, was dem Verwundeten ein Stöhnen entriss, und er bäumte sich
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