Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
ohrenbetäubenden Knacken auf dem Boden auf.
»Meine Schülerin widersetzt sich mir nicht«, erklärte Maecan mit ruhiger Stimme. »Meine Schülerin versagt nicht in ihren Pflichten. Doch du hast beides getan, und was daraus folgt, ist klar. Du bist nicht mehr meine Schülerin.«
Er trat vor sie. Keine Regung zeigte sich auf seinem Gesicht. Sie wollte etwas sagen, wollte ihn mit Vigoris vernichten, aber die Schmerzen nahmen ihr fast das Bewusstsein.
»Ich hatte solche hohen Hoffnungen in Bezug auf dich.« Er hob seinen Stock erneut.
Tareisa wollte die Augen schließen, aber sie musste zusehen. Sie spürte, wie sich die Vigoris sammelte, wie er ihr Form gab – eine tödliche Form, die letzte, die sie sehen würde.
Etwas erschien auf seiner Brust.
Ein heller Lichtstrahl, dachte die Maestra, dann erkannte sie, was es wirklich war: Die Klinge bebte, als Maecan sich mit aufgerissenem Mund bewegte. Das Muster der Vigoris zerfiel.
Der alte Mann wirbelte herum. Hinter ihm stand Franigo, dem von der plötzlichen Bewegung der Degen aus der Hand gerissen wurde.
Maecan schrie. Der Drache brüllte. Die Kreatur packte die Fracht mit einer Klaue. Maecan riss die Vigoris noch einmal
an sich, und mit einem gewaltigen Schlag fuhr sie empor und zerschmetterte das Dach über ihnen. Der Drache ergriff mit der anderen Klaue den alten Mann, löste sich mit ihm vom Boden und flog durch die herabfallenden Trümmer dem Licht entgegen.
Tareisa sah Franigo neben sich knien.
Die Trümmer des Dachs stürzten auf sie zu.
Ein letztes Mal versuchte die Maestra, sich für die Vigoris zu öffnen und ihr Form zu geben, dann schlugen Balken und Steine herab, und es wurde dunkel um sie.
JAQUENTO
Unsicher, wie er sich in dieser Situation verhalten sollte, tat es Jaquento den anderen gleich, auch wenn er den Verdacht hatte, dass sie es ihm gleichtaten und deshalb alle nichts unternahmen.
Die Soldaten in ihren goldenen Rüstungen liefen bis zu ihnen, hatten aber ihre Waffen nicht gezogen und wirkten eher besorgt als bedrohlich. Als sie nur noch wenige Schritt von der Spiegelwand entfernt waren, warfen sie sich auf die Knie, berührten den Boden mit der Stirn, und der vorderste von ihnen begann schnell zu reden.
»Was sagt er?«, flüsterte Jaquento Sinosh zu, der bislang geschwiegen hatte und in ähnlicher Haltung wie die Soldaten auf dem Boden verharrte.
Es gab einen Überfall. Auf einen wichtigen Ort. Viele Tote.
»Was für ein Ort? Eine Festung? Eine Stadt?«
Nein, hier. Es wurde gestohlen … Oh nein! Der Fokus! Der Fokus wurde gestohlen!
»Sie haben den Fokus verloren?« Jaquentos Stimme war laut geworden. Die anderen sahen ihn verwundert an, also fügte er leiser hinzu: »Der Fokus. Jemand hat ihn geraubt.«
»Aber wer?«, fuhr Roxane auf.
»Wieso?«
»Woher weißt du das plötzlich?«, erkundigte sich Sean misstrauisch.
Die Fragen prasselten auf ihn ein. Abwehrend hob der junge Hiscadi die Hände. »Gemach, gemach.«
Die Soldaten indes ließen sich von ihnen nicht ablenken, sondern redeten weiter mit dem Drachen, der nun seinerseits die Corbaner ebenfalls nicht mehr zu beachten schien.
»Wenn du mehr weißt, sag es mir«, bat Jaquento Sinosh. Dann fiel ihm noch etwas ein: »Kanntest du die Geschichte? Wie der Fokus entstanden ist?«
Nicht so genau. Die Stimme des kleinen Drachen klang verlegen. Nur in Grundzügen. Ich wusste, dass die Kugel mächtig ist, aber nicht, weshalb. Und auch nicht, dass unser Kaiser sie geschaffen hat.
»Und die Lösung? Der … die Kaiserin sagte, für euch habe sie eine Lösung gefunden.«
Sie hat eine Lösung gefunden. Es ist ganz einfach. Sie ist die letzte der Uralten. Und die Jüngeren werden niemals so mächtig sein wie sie, deshalb kann es keinen Krieg mehr geben.
Bei diesen Worten, die Sinosh in seinem Geist sprach, drängte eine Erinnerung in Jaquentos Gedanken an die Oberfläche, die Fetzen eines Gesprächs, das er erst vor kurzer Zeit mit Sean geführt hatte, auch wenn ihm seitdem Jahrhunderte vergangen zu sein schienen.
»Wieso werden die jüngeren Drachen nie so mächtig werden?«, fragte er lauernd.
Wenn sie älter und größer werden, nimmt sie ihnen einen Teil ihres Verstandes. Und wenn sie noch älter werden, dann ruft sie sie zu sich und vernichtet sie.
Also stimmt Seans Geschichte tatsächlich. Entgeistert starrte Jaquento den kleinen Drachen an, in dessen Stimme weder Aufregung noch Angst mitschwang. Sinosh schien diesen
Worten keine besondere Bedeutung beizumessen und
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