Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
hinaus, nachdem er
bislang über Land geflogen war, wenn auch entlang der Küste. Wo genau das Ziel des alten Mannes lag, von dem Franigo so ausführlich und scharfzüngig berichtet hatte, wusste niemand genau, aber wenn Sinosh Recht hatte und der mächtige Maestre tatsächlich die junge Sinao suchte, würde er in Richtung der Sturmwelt unterwegs sein. So hatte Jaquento es ihr berichtet, und sie hatte im Moment keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln.
Wir fahren Tag und Nacht und können nur hoffen, dass es ausreicht, um den Drachen einzuholen. Sobald wir nah genug sind, werden wir die Admiralität unterrichten. Egal, wohin er sich wendet, er wird die Schiffe der Marine gegen sich gerichtet finden.
Der Gedanke gab ihr eine gewisse Sicherheit, die ihre innere Unruhe zumindest ein Stück weit vertrieb. Auch wenn ihr Schiff nur klein war, eine winzige Nussschale auf weiter See, so war sie doch nicht allein. Hinter ihr stand die Macht Thaynrics.
»Geben Sie mir das Sprechrohr«, befahl sie dem Fähnrich. Sie trat an die Reling und legte den Trichter an die Lippen: »Ahoy Todsünde !«
Es dauerte einen Moment, bis Jaquento antwortete. Er stand auf dem Achterdeck seines Schiffs. Neben ihm konnte die Kapitänin Franigo und Tareisa erkennen, die ebenfalls zur Siorys herüberblickten. Das Gesicht des Hiscadi wurde von einem großen, schwarzen Hut beschattet, und alle drei taten sich in ihrer leichten Kleidung sicher weniger schwer in der sengenden Sonne als die Uniformierten ihres eigenen Schiffes.
»Ahoy!«
»Kurswechsel: Drei Strich Steuerbord! Wir passieren die Landzunge. Maestre Groferton sagt, dass sich unser Ziel auf See hinausbewegt.«
»Aye, aye. Drei Strich Steuerbord.«
Roxane ließ das Sprechrohr sinken. Dass Jaquento ihre Worte wie ein Bootsmannsmaat wiederholt hatte, ließ sie lächeln. Kaum ist er an Bord seines Schiffes, mausert er sich zum echten Seemann. Ein fähiger Kapitän, keine Frage, dachte sie nicht ohne Stolz. Als sie sich umdrehte, war ihre Miene jedoch wieder unbewegt. Sie verschränkte die Arme hinter dem Rücken, straffte die Schultern und begann die notwendigen Befehle zu geben, damit die Siorys den neuen Kurs einschlug. Es galt, die Segel zu trimmen und den Wind ordentlich einzufangen, denn nun kam er nicht mehr aus einer Richtung, die für die Korvette günstig war. Dabei behielt sie ein Auge auf die Todsünde , denn sie rechnete fast damit, dass die Piraten – ich sollte wohl Freibeuter sagen – den Kurswechsel langsamer vollzogen, aber die beiden Schiffe bewegten sich fast im Gleichklang.
Die Fahrt der Siorys wurde quälend langsam, und Roxane sah sich genötigt, unablässig ihre Befehle anzupassen und die Mannschaft in der Takelage zu halten, um schnell reagieren zu können. Sie passierten die Spitze der langgezogenen Landzunge und hielten an ihr vorbei auf die offene See zu. So sehr war Roxane auf ihr Schiff und die nächste Umgebung konzentriert, dass sie einen Moment benötigte, um den Ruf des Ausgucks zu registrieren: »Segel voraus!«
»Wie viele?«, fragte sie laut, während sie ihr Fernrohr auszog und zur Seite lief.
»Acht … mindestens acht, Thay. Neun … zehn.«
Sie fluchte leise, als sie den Horizont absuchte. So viele Schiffe! Das bedeutet nichts Gutes. Und dann sah sie, was der Ausguck meldete. Eine ganze Reihe von Segeln, bereits überraschend nah. Bislang waren sie von der Landzunge verdeckt gewesen, doch nun waren sie deutlich im Blick.
»Seltsam … dieser Nebel«, murmelte Groferton neben ihr, der nun ebenfalls durch ein Fernrohr blickte.
»Das ist kein Nebel«, erwiderte Roxane. »Das ist der Rauch eines Gefechts!«
Tatsächlich bekämpften sich dort mehrere Schiffe, auch wenn auf diese Entfernung kaum auszumachen war, wer gegen wen focht.
Offenbar hatte nicht nur sie dies entdeckt, denn von der Todsünde meldete sich Jaquento: »Was, bei allen Geistern der Tiefen, geht da vor?«
Und schon verlassen ihn die militärischen Umgangsformen, stellte Roxane amüsiert fest, während sie antwortete: »Das können wir nicht sagen. Ich setze über, zur Besprechung!«
Ohne auf eine Bestätigung zu warten, gab sie den Befehl, ein Boot klarzumachen. Dann wandte sie sich an Groferton: »Würden Sie mich bitten begleiten, Coenrad? Ich denke, Ihre Meinung wird uns von Nutzen sein.«
Der Maestre warf einen zweifelnden Blick auf die kabbelige See, lächelte jedoch gezwungen tapfer und erklärte: »Selbstverständlich, Thay.«
Man muss dem Maestre zugutehalten,
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