Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
dass er sich trotz des Seegangs nicht beschwert hat, dachte Roxane, als sie bald darauf das Fallreep zum Deck der Todsünde erklomm, wo Jaquento sie schon erwartete.
»Willkommen an Bord, Kapitänin. Kann ich Euch etwas zu trinken anbieten?«
Der Kapitän machte eine tiefe, formvollendete Verbeugung, zog seinen Hut, ergriff die ihm dargebotene Hand und bedachte Roxanes Handrücken mit einem verführerisch sanften Kuss.
»Tee wäre nicht schlecht«, erklärte sie und folgte ihm auf das Achterdeck, wo Tareisa und Franigo sie begrüßten. Zu ihrem Erstaunen stellte Roxane fest, dass Sinosh sich für den Augenblick auf Tareisas Schulter niedergelassen hatte. Die Maestra nickte Groferton zu, der den kollegialen Gruß höflich, aber kurz angebunden erwiderte.
»Gibt es Neuigkeiten?«, fragte Roxane, woraufhin Jaquento den Kopf schüttelte.
»Nein, nichts. Was immer dort vorgeht, wir müssten erst näher heran.«
»Es müssen Schiffe der Marine beteiligt sein«, stellte Roxane nach kurzem Überlegen fest. »Wer sonst kämpft auf offener See?«
Tareisa schloss für einen Moment die Augen und wiegte den Kopf hin und her. Dann sagte sie: »Sie haben vermutlich recht, Capitane. Die Muster der Vigoris, die dort verwendet werden, entsprechen denen, die bei der Marine gängig sind.« Groferton nickte der schwarzhaarigen Maestra anerkennend zu, und Franigo schenkte ihr einen so bewundernden Blick, dass Roxane bei sich schmunzeln musste. Hat der Dichter in der schönen Maestra etwa ein neues Ziel gefunden?
»Könnte es sich um einen neuerlichen Krieg zwischen Géronay und Thaynric handeln?«, erkundigte sich der Poet.
»Das wäre durchaus möglich«, gab Roxane nachdenklich zurück. »Mir fallen, ehrlich gesagt, kaum andere Optionen ein.«
»Die Stärke der Vigoris«, begann Tareisa. »Ich frage mich, ob Maecan vielleicht …« Sie verstummte.
»Ob er was?«
»Ob er an diesem Gefecht beteiligt ist.«
»Können Sie etwas spüren, Coenrad?«
Groferton zuckte mit den Schultern und schniefte. »Ich habe kaum Erfahrung mit der Macht dieses Maecan. Ich weiß nicht, in welcher Weise er die Vigoris beeinflusst und ob er vielleicht seine Zauber tarnen kann. Deshalb kann ich wenig dazu sagen.«
»Wenn wir noch ein Stück nähern kommen, werde ich es sicher wissen«, erklärte Tareisa. »Ich kenne die Muster, die er wirkt, ganz genau.«
Roxane nickte, und Jaquento nahm sie zur Seite und senkte die Stimme. »Was denkst du?«
»Ich weiß es nicht«, erklärte sie wahrheitsgemäß. »Aber wir sollten uns das näher ansehen. Was für ein Zufall wäre es, wenn ein solches Gefecht direkt vor uns stattfände und nichts mit dem Artefakt oder Maecan zu schaffen hätte?«
»Gut. Dann sollten wir vorsichtig sein und volle Gefechtsbereitschaft befehlen.«
»Oh ja, das sollten wir. Und auf alles gefasst sein.«
Er lächelte sie an. »Das heißt, wir segeln gemeinsam ins Gefecht, ja?«
»So ist es wohl. Lass uns versuchen, diesen Kampf auch gemeinsam zu überstehen!«
THYRANE
Die Imperial wurde von zwei Treffern durchgeschüttelt, und Thyrane taumelte zur Seite, als der Boden unter seinen Füßen bebte. Die schweren Geschosse der gegnerischen 32-Pfünder durchschlugen das Holz und sandten Splitter in die Luft. Der Rest der Salve ging daneben oder schlug mit ohrenbetäubendem Krachen gegen die magischen Barrieren, die das Schiff schützten, wie der Admiral mit einem raschen Gedanken feststellte.
Lange konnte allerdings selbst ein tüchtiges Schiff wie die Imperial nicht gegen die Macht der vollen Breitseite aus 32 -und 24-Pfündern bestehen.
»Maestre Lamworth, Bericht bitte!«
»Wir halten«, brummte der Maestre. »Noch.«
Thyrane sah sich zu dem Pulk von Offizieren von den anderen Schiffen um, die sich inzwischen auf dem Achterdeck versammelt hatten. Es handelte sich um alle Caserdote seiner kleinen Schwadron. Er sah die Anspannung in ihren Gesichtern, da sie versuchten, die Magie ihres Feindes aufzuheben.
»Wie steht es bei Ihnen, Thay?«
»Wir müssen näher heran«, berichtete einer der Caserdote, ein schmaler, drahtiger Mann namens Sudlin, der zum Sprecher der Gruppe bestimmt worden war. »Die Vigoris ist stark.«
»Er kontrolliert die Schiffe«, ließ Manoel sich vernehmen. »Der alte Mann mit dem üblen Mojo.«
»Er kontrolliert die Schiffe?«
Das Donnern von Kanonen lenkte Thyranes Aufmerksamkeit kurzzeitig ab. Die anderen Schiffe des Geschwaders waren inzwischen alle unter Feuer geraten, während sie die Anfahrt
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