Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
Formation, verdeckten sich teils gegenseitig und nahmen sich so die Möglichkeit zum Feuern. Das größte Schiff segelte an der Spitze der Formation, während die 64er in der Mitte blieb. Thyrane selbst hätte sein Flaggschiff in der Mitte postiert, um im Notfall Befehle leichter die Linie entlanggeben
zu können. Aber was weiß ich schon? Ich bin ja nur ein alter Admiral, kein geschniegelter Compagnie-Lackaffe.
Als die ersten Mündungsblitze aufleuchteten, nickte er.
»Lassen Sie Signal geben: Angriff wie abgesprochen. Für Thaynric.«
Der Donner der Kanonen rollte über die See, aber die erste Salve war schlecht gezielt und aus zu großer Distanz abgefeuert worden, und die Kugeln fielen in harmloser Entfernung vor der Imperial ins Wasser.
Hinter der Fregatte begannen die Schiffe der Marine auszuschwärmen, als öffne sich ein gewaltiger Fächer. Thyrane achtete jedoch nicht darauf; er verließ sich auf seine Offiziere. Seine Aufmerksamkeit galt allein der silbernen Taschenuhr, die er aus der Weste gezogen hatte und nun in der Hand hielt. Der Sekundenzeiger tickte für seinen Geschmack viel zu langsam. Dann erklang die nächste Salve ihrer Feinde.
»Fast vier Minuten«, bestätigte Bercons seine eigene Beobachtung. Noch immer waren sie zu weit entfernt, und als die Salve weit vor ihnen Wasser aufspritzen ließ, jubelten einige der Matrosen und riefen Beleidigungen über das Wasser, die zumeist auf ungewisse Abstammungsverhältnisse der gegnerischen Kanoniere abzielten.
»Das ist schlecht für sie, möchte ich meinen, und gut für uns. Aber die 80er hat 32-Pfünder auf dem untersten Geschützdeck. Dagegen können wir nicht lange bestehen. Haben Sie erkennen können, ob es alles lange Geschütze waren?«
»Keine Karronaden, soweit ich erkennen konnte, Thay.«
»Wir müssen schnell sein. Die 64er hat nur 24-Pfünder. Mit denen können unsere schweren Fregatten mithalten, vor allem, da wir die besseren Leute haben. Aber die 80er …«
»Die Imperial steht das durch, Thay.« Bercons ließ seine Hand über die Reling gleiten. »Ganz sicher.«
Thyrane lächelte ihm zu und nickte, doch seine Gedanken waren nicht so zuversichtlich. Wenn sie uns lange genug unter Feuer nehmen können, dann verwandeln uns auch schlechte Kanoniere in Treibgut auf den Wellen.
Manoel und Sinao hatten sich mittlerweile am Bug positioniert. Die katzenhafte Faulheit des jungen Mannes war nun vollständig verschwunden und einer sichtbaren Anspannung gewichen, die die Paranao mit ihm teilte.
Eine weitere Salve der Compagnie dröhnte, und diesmal waren sie fast in Reichweite.
Plötzlich legte sich Stille über die Fregatte. Jeder an Bord wusste, was sie nun erwartete. Ab jetzt würden die Schiffe der Compagnie versuchen, sie so oft und so schwer wie möglich zu treffen, während sie sich näherten.
»Jagdgeschütze Feuer frei!«, rief Thyrane. Er wusste, dass es für die Moral wichtig war, dem feindlichen Feuer etwas entgegenzusetzen, auch wenn die beiden 18-Pfünder am Bug kaum eine Wirkung zeigen würden.
Das Donnern der beiden Kanonen und der Pulverdampf verbargen die nächste Salve der Compagnie. Ein Zittern ging durch die Imperial , als ein Projektil sie traf. Zwar prallte es am harten Holz ab, ohne großen Schaden anzurichten, aber dabei würde es nicht bleiben.
Das Gefecht begann.
ROXANE
»Wie weit noch, Coenrad?«
Groferton schloss die Augen. Die Miene des Maestre, der eben noch seine Augen mit der Hand beschattet und dabei über die Hitze geklagt hatte, entspannte sich, und sein Kopf legte sich langsam in den Nacken. Seine Mundwinkel zuckten unvermittelt. Eine Weile verharrte er in dieser Position, dann kehrte er aus seiner Trance zurück.
»Nicht weit.«
Roxane hätte ihren Bordmaestre beinahe gefragt, ob er noch ungenauer antworten konnte, aber sie hielt sich zurück.
Er würde mir den Abstand nennen, wenn er es könnte. Stattdessen blickte sie also zur Todsünde hinüber, die an Steuerbord kaum fünfzehn Faden entfernt durch die See pflügte. Das ehemalige Piratenschiff hatte weniger Segel als die Siorys gesetzt und machte dennoch mehr Geschwindigkeit. Und in einem direkten Schlagabtausch hätte die Todsünde es problemlos mit der Korvette aufnehmen können. Kein Wunder, dass Deguay es so lange geschafft hat, sich dem langen Arm der Königlichen Marine zu entziehen.
Dann blickte sie wieder über den Bug auf das Wasser. Wenn Grofertons Einschätzung stimmte, dann bewegte sich der Drache, den sie verfolgten, auf See
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