Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
Verstehen Sie, was ich sage?«
»Ja, Thay.« Cynedds Stimme war fest, und er richtete sich wieder auf und nickte bekräftigend. Er fühlte sich nun als Teil von etwas Größerem, im Bund mit seiner Kapitänin und den Admiralen und damit ausgezeichnet vor den restlichen Seeleuten.
»Dann gehen Sie jetzt, und sorgen Sie dafür, dass ich niemals bereue, dieses Vertrauen in Sie gesetzt zu haben. Falls Sie jemand fragt: Ich habe Ihnen eine Standpauke gehalten und mit drakonischen Strafen gedroht, falls es noch einmal derartige Unruhe an Bord geben sollte.«
Er salutierte und wandte sich um. Vor dem ersten Schritt hielt er inne und nickte Jaquento und Bihrâd zu, als seien sie nun beste Freunde. Dann trat er durch die Tür.
Roxanes Blick wanderte über die beiden Verbliebenen. Die Schrammen in Jaquentos Gesicht sahen schmerzhaft aus, aber ansonsten schien er unversehrt zu sein. Lieber Himmel. Als hätte Bihrâd ihn nicht gerade erst wieder zusammengeflickt.
Sie setzte sich erst einmal und wandte sich an den Mauresken: »Es tut mir leid, wenn Sie mit solchen Vorurteilen konfrontiert werden. Der gemeine Matrose mag nun mal nichts Fremdes, was eigentlich überraschend ist, wenn man bedenkt, dass jeder Fünfte von ihnen nicht aus Thaynric stammt.«
»Mir ist nichts geschehen«, erwiderte der Maureske gewohnt ausweichend.
»Ich werde mit den Offizieren sprechen. Man wird ein Auge darauf haben, dass Derartiges nicht wieder vorkommt.«
Bihrâd nickte, und Roxane legte den Kopf in den Nacken.
»Sie können jetzt gehen. Nicht du«, fügte sie hinzu, als Jaquento sich ebenfalls zum Gehen wandte.
Als der Maureske mit einem Gruß ihre Kajüte verlassen hatte, schaute Roxane den Hiscadi eindringlich an. Jetzt lag Vorsicht in seiner Miene. Noch immer hatte er nichts gesagt, und sie sah das Funkeln, das hinter seinen Augen brannte. Ein falsches Wort, und er mochte explodieren. Sie wusste, was er zu wissen glaubte, aber sie war nicht gewillt, sein Spiel zu spielen.
»Setz dich«, sagte sie.
Zwar hob er fragend die Augenbrauen, aber er leistete ihrer Aufforderung dennoch Folge und setzte sich in den Stuhl ihr gegenüber.
»Port?«
»Gern.«
Roxane öffnete die kleine Lederschatulle, in der Flasche
und Gläser sicher verstaut waren, und goss ihnen beiden eine großzügige Menge ein.
»Auf einen bereitwilligen Gegner und Wind in den Segeln.«
Jaquento prostete ihr zu. Zwar wirkte er entspannt, doch seine Wachsamkeit hatte nicht nachgelassen. »Ich schätze, ich muss dich warnen«, sagte er. »Wenn du ein Glas dieses wirklich edlen Gewächses als neue Strafe für Prügeleien unter der Mannschaft einführst, wird das der Disziplin nicht besonders gut tun.«
»Sehr witzig.« Roxane verzog den Mund. »Erzähl mir lieber, was eigentlich passiert ist.«
Er zuckte mit den Schultern und sah zur Seite. »Es ist, wie du schon gesagt hast: Die meisten Seeleute sind ziemlich misstrauisch, wenn es um Fremde geht. Und der Drachenangriff hat sie doppelt verunsichert. Da war es nur allzu leicht, in Bihrâd einen Schuldigen zu suchen, an dem sie ihr Mütchen kühlen konnten.«
Der Port in ihrem Glas schimmerte wie Honig. Nachdenklich trank Roxane noch einen Schluck. »Ja, der Angriff des Drachen hat uns alle aus der Bahn geworfen. Die weitere Verfolgung der Todsünde dürfte nun ziemlich schwer werden, selbst wenn wir genau wüssten, wo sie ist. Immerhin haben wir einen Mast verloren, und die Reparatur wird Tage dauern«, schnaubte sie ärgerlich.
»Auch die Todsünde muss irgendwann Wasser und Proviant aufnehmen«, versicherte ihr Jaquento. »Wir wissen nicht, ob wir durch den Angriff überhaupt Zeit verlieren.«
»Wir wissen ohnehin verdammt wenig über die Todsünde und ihren Verbleib. Kapitän Deguay ist tot, dessen können wir uns sicher sein; aber wer kommandiert das Schiff nun überhaupt? Wohin fährt es und in wessen Auftrag? Vielleicht hat sich der neue Besitzer der Ladung ja auch dazu entschlossen, sich neue Herren zu suchen. Alles offene Fragen
und mehr Rätsel, die wir nicht lösen können, solange wir das verfluchte Schiff nicht endlich vor die Kanonen bekommen.«
»Ich weiß. Es zerrt genauso an meinen Nerven, ewig im Dunkeln zu tappen. Aber ich nehme an, Bihrâd würde sagen, dass es sinnlos ist, unsere Energie auf Dinge zu verschwenden, die wir ohnehin nicht ändern können. Vielleicht wird Groferton die Todsünde finden. Oder der Zufall hilft uns. Wer weiß, vielleicht findet die Ladung des schwarzen Schiffes am Ende
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