Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
uns.«
»So philosophisch kenne ich dich gar nicht«, meinte Roxane mit mildem Spott, aber sie lächelte dabei.
»Was mag den Drachen dazu bewogen haben, uns so plötzlich in Ruhe zu lassen?«, wechselte sie dann das Thema. »Fast sah es so aus, als habe er von irgendwoher neue Befehle erhalten.«
»Vielleicht hat er das ja tatsächlich. Von Sinosh wissen wir schließlich, dass sie untereinander kommunizieren.«
»Sinosh …« Roxane erlaubte ihren Gedanken, kurz abzuschweifen. Sie dachte an die kleine Echse, die der Hiscadi bei früheren Begegnungen stets auf der Schulter getragen hatte und die je nach Laune die Farbe wechseln konnte.
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass Sinosh wirklich ein Drache ist – oder dass er mit dir geredet hat.«
»Und doch ist beides wahr und beweist, dass es vielleicht falsch ist, wenn wir davon ausgehen, dass die Drachen Bestien ohne Verstand sind.«
»Das ist zwar richtig, hilft uns aber trotzdem kaum weiter. Denn wie sollen wir mit ihnen reden? Sinosh ist verschwunden, und nach dem, was du mir erzählt hast, weißt du selbst nicht, ob du die Echse nochmal wieder treffen wirst. Und selbst wenn: Es kann ja nicht jeder von uns so eine kleine Drachenkreatur auf der Schulter mit sich herumtragen.«
Das brachte Jaquento zum Lachen. »Schade eigentlich.
Denn ich hätte zu gern gesehen, wie du dem braven Matrosen Cynedd erklärst, dass auch Sinosh das vollste Vertrauen der Admiralität genießt, Quéri .«
Roxane trank den Rest ihres Ports in einem Zug. »Wenn du diese Geschichte jemals erzählst, lasse ich dich doch aufknüpfen.«
Seine Heiterkeit verstärkte sich noch, doch dann verzog er das Gesicht, und seine Hand fuhr zu den Schwellungen auf seiner Haut.
Roxane stand auf und ging um ihren Schreibtisch herum.
»Tut es sehr weh?«
»Es geht. Er hat einen harten Schlag, aber er ist nicht sehr schnell.«
»Anders als du«, murmelte sie und legte eine Hand an seine Wange. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber bevor dies geschehen konnte, verschloss sie seine Lippen mit einem Kuss.
Er schmeckte nach Salz und Weite und dem Meer, und er zögerte nicht, ihren Kuss zu erwidern. Sie wusste, dass sie es nicht tun sollte, wusste, dass sie diesen Kuss beenden und zu ihren Pflichten zurückkehren sollte, aber es war zu lange her, dass sie ihn geküsst hatte.
Roxane ließ sich auf Jaquentos Schoß gleiten und schlang die Arme um seinen Hals. Seine Hände fanden die Aufschläge ihrer Uniform, packten sie und zogen sie noch näher zu ihm. Ungestüm ließ er seine Finger über ihren Köper wandern, küsste hungrig ihre Lippen, ihren Hals, den Ansatz ihrer Brüste, während er mit einer Hand Knopf für Knopf der Uniformjacke löste.
»Lass uns aufstehen«, murmelte Roxane zwischen zwei Küssen.
»Wenn du es wünschst«, erwiderte Jaquento, die Enttäuschung in seiner Stimme mehr als deutlich.
»Um uns hinzulegen, Idiot«, erwiderte sie. Diese Aussicht schien ihm deutlich besser zu gefallen. Er stand auf und hob sie dabei hoch.
Während er sie die wenigen Schritte zu ihrer Koje trug und sie darauf niedersetzte, fragte er: »Wird uns niemand stören, der dir irgendwelche Berichte bringt oder den Essensplan besprechen muss oder eine Kurskorrektur? Fährt das Schiff denn ganz von allein?«
Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. »Ich bin die Kapitänin, Jaq«, flüsterte sie. »Niemand öffnet diese Tür, wenn ich nicht ›Herein‹ rufe.«
Sie konnte sein Grinsen beinahe spüren. »Nun denn – ein dreifaches Hoch auf die Disziplin der Marine von Thaynric«, sagte er, bevor sie seinen Mund erneut mit einem Kuss verschloss.
TAREISA
Sie wirbelte durch das kalte Wasser. Eine Strömung hatte sie erfasst und zog sie mit sich. Irgendwo war die dunkle Silhouette des Schiffs vor der Helligkeit der Oberfläche, aber sie konnte sich nicht darauf konzentrieren. Ihre Brust schmerzte, und ihre Lungen schrien nach Luft. Doch sie bezwang den Drang, den Mund zu öffnen und zu atmen. Noch spürte Tareisa die Auswirkungen der Fracht, das Ziehen an ihrem Innersten, und sie wusste, dass es zu früh war, um Vigoris einsetzen zu können.
Sie versuchte zu schwimmen, aber ihre Muskeln, von Tagen, wenn nicht Wochen der Untätigkeit geschwächt, gehorchten ihr kaum. Ihre Kleidung sog sich bereits mit Wasser voll, hing wie ein Treibanker an ihr, erschwerte jede Bewegung. Erschöpfung breitete sich in ihr aus, eine brennende Leere. Das ferne Licht über ihr wurde blasser und
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