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Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste

Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste

Titel: Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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musste, sein Verdikt ändern zu müssen. Aber er wollte kein Mann sein, der einen am Boden liegenden Kontrahenten noch verhöhnte, und er hatte immerhin erreicht, was er wollte: Alserras und Inxis Vater würden sich schon bald auf freiem Fuß befinden. Er beschloss, dem wackeren Ratsvorsitzenden ein oder zwei Verse zu widmen, in diesem entsetzlich überhöhten Stil voller Pathos, den neuerdings alle Welt so schätzte.
    Als der Magistrat den Raum verlassen hatte, ergriff der Poet das Wort. »Der Mann ist ein wenig verknöchert, will mir scheinen. Erstaunlich verbissen, gerade für sein Alter.«
    Der Ratsvorsitzende atmete erst tief ein, dann seufzte er lang. »Ihr könnt nicht einmal ahnen, wie Recht Ihr habt. Er und seine Gesellen machen mir im Rat ständig Scherereien.«
    »Gesellen?«
    »Sie nennen sich selbst Gusemisten, nach Guseman, dem ersten Mitglied des Friedensausschusses in Cabany.«
    »Sie folgen einem Géronay? Nach allem, was uns diese Hunde angetan haben?« Franigo gab sich die größte Mühe, seiner rechtschaffenen Abscheu gebührend Ausdruck zu verleihen.
    »Sie folgen neuen Géronaee. Es ist eine ganze Fraktion in Cabany und überall im Lande. Guseman ist nur der Wortführer.
Sie sind … radikal. Gewiss habt auch Ihr schon bemerkt, dass neuerdings ein schärferer Wind weht. Vielen Kämpen der Rebellion geht der Umbau des Staates nicht schnell genug, und sie wittern überall Konterrevolutionäre, Royalisten, verborgene Géronaee der alten Zeiten und dergleichen. Wenn es nach diesen Leuten ginge, dann gäbe es bald kein Lied, kein Gedicht und auch kein Stück mehr, das etwas anderes besingt als die Errungenschaften der neuen Ordnung.«
    Diesmal musste sich der Dichter nicht um einen Ausdruck der Abscheu bemühen; dieser fand ganz von allein auf sein Gesicht. »Aber Mesér, das kann doch nicht alles sein, was unser Aufstand uns gebracht hat – dass wir die Untaten derer wiederholen, die wir abzulösen trachteten. Und dass Männer wie ich, Männer der Feder, um ihren Kopf fürchten müssen.«
    Der Ratsvorsitzende neigte bedächtig das Haupt. »Guseman hat wiederholt die Exekution des Königs gefordert, und seine Stimme gewinnt anscheinend täglich an Gewicht im Friedensausschuss wie auch, vielleicht noch wichtiger, beim einfachen Volk. Ich sage Euch, Franigo: Schon bald werden Fanatiker wie dieser Gárrer das Ruder übernehmen. Und dann müssen wir alle um unsere Sicherheit fürchten. Sogar ich.«
    »Das klingt furchtbar. Aber ich verstehe nicht, wie solche Leute in unserer schönen Heimat Anhänger finden konnten. Wir haben das Joch der Unterdrückung abgeschüttelt – und Hiscadi wird sich eine neue Tyrannei nicht gefallen lassen. Hiscadi ist frei.«
    Die Miene des Ratsvorsitzenden hellte sich kurz auf, als er nickte, dann verfinsterte sie sich wieder. »Doch wer weiß, wie lange noch?«

ROXANE

    Ohne ein Wort zu sagen, blickte Roxane auf den Bericht hinab. Sie hob die Augen zu den drei Delinquenten, sah dann wieder auf den Bericht. Natürlich stand dort nichts zur Sache; es war ein Bericht des Segelmachers über den Zustand von Leinwänden und Tauen, mit dem sie sich noch beschäftigen wollte, wenn es die Zeit erlaubte.
    Mit ausdrucksloser Miene schaute sie wieder zu Jaquento. Der Hiscadi stand ruhig da, und nichts deutete darauf hin, dass er sich unwohl fühlte oder sich einer Schuld bewusst war.
    Roxane konnte den Widerstand in seinen Augen sehen, die Unzufriedenheit mit der Situation und das reflexartige Aufbegehren gegen Autorität, das tief in ihm verwurzelt war. Bihrâd stand neben seinem Freund, seine Miene unleserlich. Zumeist hatte der Mann sich außerordentlich gut unter Kontrolle, und in den letzten Wochen hatte Roxane sein stoisches Gemüt zu schätzen gelernt. Dementsprechend bezweifelte sie auch, dass er der Auslöser der Unruhe gewesen war.
    Schließlich wandte sie sich an den dritten Mann, einen vierschrötigen Matrosen, der nervös mit den Knöpfen seiner Jacke spielte. Sein rötlich blondes Haar verriet seine Herkunft aus Graemney nur allzu deutlich. Und der Rumdunst,
der ihn umwehte, bewies, dass er auch der sprichwörtlichen Trinkfestigkeit seiner Leute alle Ehre machte.
    »Matrose Cynedd.« Sie machte eine Pause, in der sie wieder auf den Bericht sah. »Sie bleiben bei Ihrer Darstellung der Ereignisse? Dass dieser Mann«, sie nickte in Bihrâds Richtung, »Sie ohne Provokation angegriffen hat?«
    »Ja, Thay, so isses. Der verfluchte Fremde hat angefangen.«
    »Erstaunlich.«

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