Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
hat bald keine Feinde mehr, weil es kein hiscadisches Volk mehr gibt, das dieses Namens würdig wäre, dachte Franigo düster.
Aber Vimaro Froiga? Inxis Vater? Hat denn Almarza schon all seine Macht verloren? Oder hat er mich ins Messer laufen lassen mit seinem Lächeln und seiner Freundlichkeit?
Gárrer musste sich seiner Sache sehr sicher sein, wenn er einen aufs Schafott brachte, den der Ratsvorsitzende bereits begnadigt hatte. Die Einheit strafe diesen Hurensohn mit der schlimmsten Form von Syphilis und lasse ihn langsam verrotten.
Es half nichts, und er wusste es. Morgen würde er sich zum Richtplatz begeben müssen, der sich unweit des Marktes befand, um mit eigenen Augen zu sehen, wie das Fallbeil den Hals des Druckers durchtrennte. Das schuldete er Inxi, der gewiss auch vor Ort sein würde.
Franigo malte sich schon grimmig aus, wie er dem alten Drucker in letzter Sekunde zu Hilfe eilte, wusste aber gleichzeitig,
wie unmöglich das war. Aber zumindest Inxi und den Freunden der Vimaros konnte er beistehen.
Er legte das Dokument und das Büchlein, das er noch immer mit der Linken umklammert hielt, auf den Tisch, und seine Hand griff ganz automatisch zu seinem Degen. Seit Tagen legte er die Klinge nur noch in der Sicherheit seiner vier Wände ab. Bis gestern hatte er geglaubt, dass seine Taten und Worte ihm einen gewissen Schutz verliehen. Aber der heutige Tag hatte ihm endgültig klargemacht, in welcher Lage er sich tatsächlich befand. Noch war es der Hetze gegen ihn nicht genug, mit jedem Tag wurde sie schriller und lauter. Und wenn sie ihn erreichte, gab es keine Macht in Hiscadi, die ihn vor dem Hass der Menge und dem Schafott bewahren würde.
Das Licht im Zimmer schwand mit der langsam untergehenden Sonne, aber Franigos Zorn brannte dafür umso heller. Schweigend begann er sich anzukleiden, während sein Zorn allmählich kalter Wut wich. Mit Bedacht wählte er Kleidung, die er auch am géronaischen Hofe hätte tragen können. Diese Mode war heutzutage in Hiscadi verpönt, und nach allem, was man hörte, war es in Géronay wenig anders. Aber Franigo hatte nicht vor, dem Geschmack der brüllenden Masse zu folgen. Kopftuch, Hut, die dünnen Handschuhe und die hohen Stiefel, so als ginge er zu einer fürstlichen Hochzeit. Sein Bart war frisch gestutzt und gezwirbelt, und sein Wams war von erlesener Schwärze.
Die Schläger der Gusemisten rotteten sich überall zusammen, und gewiss würden sie sich auch die Hinrichtungen am nächsten Tag nicht entgehen lassen. Normalerweise versuchte jeder Bürger, so gut es ging, ihrer Aufmerksamkeit zu entgehen. Niemand kleidete oder verhielt sich auffallend. Niemand ging nachts allein hinaus. Niemand, bis auf Franigo, der sich weigerte, diesem Pöbel auch nur einen Fußbreit
Boden zu überlassen; vor allem dann nicht, wenn dieser Fußbreit Boden zwischen seiner Unterkunft und seinem Stammlokal lag. Ja, heute war ihm endgültig nicht danach, sich nach den Launen dieser Hunde zu richten. Sollten sie ihn angreifen, dann würde er ihnen eine Lektion erteilen. Er legte eine Hand auf den Degen, die andere auf den Dolch, den er gerade umgeschnallt hatte. Ein Kampf käme ihm heute gerade recht.
Ein lautes Pochen an seiner Tür ließ ihn herumfahren. Sein Herzschlag beschleunigte sich, und er trat ans Fenster. Mit zwei Fingern schob er die Gardine ein Stück zur Seite und spähte vorsichtig hinaus. Waren die Männer des Rates bereits zurückgekehrt?
Doch er konnte keine bewaffneten Uniformierten entdecken. Dennoch ließ Franigo die Hand auf dem Knauf seiner Klinge, als er die Tür öffnete. Unhöflich mochte das sein, aber was galt das an einem Tag wie diesem?
Vor sich sah er einen Mann in einem altmodischen Kapuzenmantel, der trotz seines deutlich fortgeschrittenen Alters keineswegs gebeugt, sondern hoch aufgerichtet dastand. Linien hatten sich in das Gesicht des Alten gegraben, aber seine hellen Augen waren klar und ihr Blick forsch. Franigo konnte wenig mehr erkennen, denn Mantel und Kapuze verbargen den Rest.
»Wie kann ich Euch helfen, Mesér?«, erkundigte er sich mit einer Verbeugung.
»Ah, es gibt noch Orte in diesem Land, an denen man nicht allen Manieren abgeschworen hat«, erwiderte der Alte mit fester Stimme.
»Gewiss«, entgegnete der Dichter ungeduldig. »Aber entschuldigt, Mesér, es ist mir eine Pflicht, heute noch auszugehen, deshalb muss ich Euch bitten, mir rasch Euer Anliegen zu nennen.«
Der Fremde neigte leicht den Kopf. Etwas an seinem Auftreten
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