Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
erschien Franigo fremdländisch und ungewohnt, doch er hätte nicht zu sagen vermocht, was es war. »Wie Ihr wünscht. Dann möchte ich mich kurz fassen. Ihr seid der Poet namens Franigo?«
Nun war es an dem Dichter, zu nicken.
»Ich möchte Euch darum ersuchen, mir zu folgen, und Euch bitten, das Gespräch an einem anderen Ort fortzuführen.«
Franigo runzelte die Stirn und machte einen Schritt zur Seite. »Wie ich schon sagte – der Zeitpunkt für Euren Besuch ist schlecht gewählt, ich wollte soeben gehen.«
Der Alte winkte ab.
»Ich hätte mich deutlicher ausdrücken müssen. Dort hinten, keine Meile von hier, rottet sich eine Gruppe von Männern und Frauen zusammen, deren Ziel es ist, Euch in ihre Gewalt zu bringen. Wenn man die Menge an Wein und Branntwein bedenkt, die dort konsumiert wird, möchte ich behaupten, dass es dem einen oder der anderen noch besser gefallen würde, wenn Ihr Euch widersetztet und sie an Euch ein Exempel statuieren könnten.«
Dies schockierte den Poeten, obwohl er an diesem Tag schon so viele schlechte Nachrichten hatte empfangen müssen. Auch dem Alten blieb seine Verwirrung wohl nicht verborgen.
»Ihr müsst doch damit gerechnet haben?«
»Ich … Ja, durchaus. Irgendwann, aber doch nicht heute! Vorgestern war ich noch bei Mesér Almarza, und morgen wird Inxis Vater hingerichtet, meine Stücke werden verboten, und ich werde zum Gejagten«, sprudelte es aus ihm hervor, bis er merkte, welch seltsamen Eindruck sein Ausbruch auf seinen Gast machen musste.
»Nun, diese Menschen besitzen weder Anstand noch Taktgefühl. Können wir?«
Franigo war versucht zu betonen, dass es nicht seine Angewohnheit war, davonzulaufen, aber die Schwere der Situation lastete auf seinem Gemüt, und so verwehrte er sich diese Lüge.
»Wohin?«
»Ich habe ein Gefährt, nicht allzu weit von hier. Eine Kutsche, bespannt mit den schnellsten Pferden. Wir können die Stadt hinter uns lassen, lange bevor man Euch vermisst.«
»Wer seid Ihr?«
Der Alte lächelte versonnen. »Sagen wir, dass ich ein Bewunderer Eurer Kunst bin und dass ich Eure speziellen Fähigkeiten brauchen kann. Ja, das ist gut. Dabei können wir es belassen. Mein Name tut hier nichts zur Sache, wir können uns aber später einen überlegen, wenn Ihr es wünscht.«
Ohne ein weiteres Wort wandte er sich zum Gehen.
Franigo steckte das Wichtigste ein, dann folgte er ihm.
Wieder einmal würde er mit wenig mehr als seiner Kleidung am Leib eine Stadt verlassen, in der er zuvor Triumphe gefeiert hatte.
THYRANE
»Thay, mit Verlaub gesagt – wenn wir nicht bald einen neuen Kurs festlegen, wird die Mannschaft noch unruhiger werden. Wir wurden vor Lessan von unserem eigenen Fort angegriffen. Viele der Matrosen fragen sich, ob sie nicht vielleicht schon jetzt wider Willen Meuterer sind.«
Kapitän Bercons hatte seinen Dreispitz abgenommen und drehte ihn in seinen Händen. Thyrane konnte sehen, dass es dem Mann schwerfiel, ihm diese Nachricht zu überbringen, dass er es aber für notwendig hielt.
Seit zwei Tagen befand sich die Imperial auf hoher See, und seit eben so langer Zeit hatte Thyrane sich nicht auf einen Kurs festlegen wollen. In der Sturmwelt waren ihm alle Tore verschlossen; und seine Flucht erschien ihm nun übereilt und verzweifelt. Als er in die fragenden Gesichter Sinaos und Manoels blickte, kam ihm nicht zum ersten Mal der Gedanke, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, sich von den Kindern retten zu lassen.
»Ich weiß, Bercons. Sie haben Recht«, sagte er müde. »Aber was, im Namen der Einheit, schlagen Sie vor, sollen wir tun?«
»Lassen Sie uns nach Corbane zurücksegeln, Thay. Dort können wir versuchen, bei der Admiralität eine Untersuchung der Vorfälle zu erwirken. Gewiss war schon Ihre Verhaftung nicht rechtskräftig.«
Was Bercons sagte, entbehrte nicht einer gewissen Logik; die Überfahrt nach Corbane wäre der Imperial vermutlich ohne größere Schwierigkeiten möglich. Aber dann wäre Thyrane wie ein geprügelter Hund mit eingekniffenem Schwanz nach Hause gelaufen, und es war nicht sicher, ob die Macht der Compagnie ihn nicht selbst in Thaynric erreichen würde. Zumindest würde man ihm das Leben schwermachen, und eine Verhandlung vor einem Kriegsgericht war fast sicher. Und wie eine solche ausgehen würde, stand in den Sternen. Eine ›Untersuchung der Vorfälle‹ klang jedenfalls nach einem Prozess, der sich über Jahre hinziehen mochte.
Dennoch. Vielleicht würde ihm schlussendlich nichts
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