Sturmwind der Liebe
Testament zu deinem Nachteil hinterlassen? Lebtet ihr in Unfrieden miteinander?«
Sie schluckte. »Nein, ganz und gar nicht. Nun hör mir mal zu! Wir haben nicht mehr viel Zeit, bis wir das Dock anlaufen. Mein Vater war ein kranker Mann. Deshalb habe ich die Werft geleitet. Ich habe auch die
Pegasus
gebaut. Das Schlimme war nur, daß keiner aus der wunderbaren Männerwelt von Baltimore sie von mir kaufen wollte, weil ich den Bau verantwortlich geleitet hatte. Da glaubte mein Vater, ich würde nach seinem Tode alles einbüßen. Außerdem hatte er viel für dich und deine Tochter übrig. Er lud dich und Hallie ja sogar ein, in unserem Haus zu wohnen, was du auch annahmst. Dann kam er auf die Idee, du würdest der geeignete Schwiegersohn sein. Darum vermachte er dir die Werft unter der Bedingung, daß du mich heiratest. Die Wette hast du mir vorgeschlagen …«
»Damit dein Stolz nicht gekränkt würde?«
Genau das war es. »Das klingt schrecklich roh.«
»Ist aber wahr. Ja, meine liebe Genny, was zum Teufel sollen wir jetzt tun? Wenn ich dir die Werft übergebe, wirst du alles verlieren. Das mußt du selber zugeben.«
»Vielleicht.«
»Du hast uns durch den Hurrikan gebracht. Deshalb mußt du ein guter Kapitän sein, obwohl du zum schwachen Geschlecht gehörst. Wie bin ich übrigens auf den Klipper gekommen? Warum habe ich nicht auf meinem Schiff das Kommando behalten?«
Jetzt blieb ihr doch nichts anderes übrig. Jetzt mußte sie lügen. Die Lüge ging ihr so leicht über die Lippen, daß sie kaum zu überlegen brauchte. »Du dachtest, wir würden alle ertrinken, und wolltest mit mir gemeinsam untergehen.«
Er zog die Brauen zusammen. »Aber du hast doch gesagt, ich hätte dich nur wegen der Werft geheiratet.«
»Trotzdem mochtest – magst du mich wohl gern.«
»Ich weiß es ja nicht, Genny. Aber mir scheint, ich hätte sicherlich keine Frau geheiratet, die ich nur einfach gemocht hätte.«
»Du hast mich auch verführt.«
»Großer Gott, das muß ich sehr genossen haben. Hast du es genossen, von mir verführt zu werden?«
»Ungeheuer.«
»Warst du noch Jungfrau?«
»Ja.«
»Dann habe ich dich also aus zwei Gründen geheiratet. Weil ich dich entjungfert habe – und wegen der Werft.«
»Kapitän!«
»Ja, Snugger?« Zu Alec sagte sie mit freundlichem Lächeln: »Entschuldige bitte. Ich muß mich um verschiedenes kümmern.«
So kam es, daß er vor dem Anlegen am Dock keine Gelegenheit mehr fand, sie über seine Tochter auszufragen. Und da war sie auch schon. Neben einer älteren, hageren und teuflisch streng dreinschauenden Frau stand sie wartend vor der Werft.
»Papa!«
Damit war er also gemeint. Er nahm die Gesichtszüge des Kindes wahr und mußte zugeben, daß sie ihm wirklich sehr ähnlich sah. Er rief: »Hallo, Hallie!« und winkte ihr zu. »Hast du gewonnen?«
»Ich erzähle dir gleich alles.«
Seine Tochter wußte über die verdammte Wette Bescheid? Auf einmal sah er viele Menschen auf die beiden Schiffe zuströmen, sowohl Männer wie Frauen. Hatte er in dieser Stadt solchen Unterhaltungswert? Er konnte einfach nicht verstehen, warum sie sich alle so für ihn interessierten.
»Sie sind alle hergekommen, um zu erfahren, wer gewonnen hat«, sagte Genny. In diesem Augenblick wurde ihr klar, daß sie ihm die ganze Wahrheit hätte sagen sollen. Seufzend fuhr sie fort: »Richte dich einfach nach mir, Alec! Die anderen Leute brauchen nicht zu erfahren, daß du das Gedächtnis verloren hast. Ich habe mit Daniels und Snugger gesprochen. Sie werden es nicht ausplaudern. Ich möchte dich jetzt nach Hause bringen und ins Bett stecken.«
Er hatte wieder leichte Kopfschmerzen.
Sie stieß ihm in die Rippen. »Da ist deine Tochter! Bei ihr ist ihr Kindermädchen und Gouvernante, Mrs. Swindel. Sie hat eine Romanze mit Dr. Pruitt, deinem Schiffsarzt. Beide sind gutmütige Menschen, aber sie sehen die Welt auch an schönen Tagen immer grau in grau.«
Sie sah, wie er die Brauen zusammenzog, wegen der Kopfschmerzen, aber auch, um sich zu konzentrieren.
Genny hatte sich geirrt. Niemand wollte etwas über die Wette erfahren. Alle interessierten sich für den Hurrikan. Und dafür, wie es ihnen gelungen war, ihn zu überstehen. Erstaunt betrachtete die Menge den gebrochenen Mast des Klippers. Einige Männer schüttelten die Köpfe und sagten, das sei der Beweis, daß die Konstruktion fehlerhaft und unsicher gewesen sei. Andere sagten, es sei überhaupt eine Dummheit, bei solchem Wetter nach Nassau segeln zu
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