Sturmwind der Liebe
diese andere Welt übergewechselt, und nun behandelte man sie unfair. Jedenfalls war das Gennys Ansicht. Alec wußte nicht genau, wie er darüber urteilen sollte. Doch nun war ihm klar, daß er etwas unternehmen mußte. Er würde die Werft kaufen und Genny vielleicht zur stillen Teilhaberin machen. Sie mußte begreifen, daß man sie in der Geschäftswelt nicht mehr mit dem Schiffsbau in Verbindung bringen durfte. Vielleicht war das wirklich nicht fair, aber es war der Lauf der Welt.
» …ich kann Ihnen da keinen Rat geben, my Lord. James Paxton kann einfach nicht erwarten, daß Baltimores Männer ein solches Verhalten gutheißen, ganz davon zu schweigen, daß sie mit einer jungen Frau geschäftlich umgehen sollen …«
»Ich habe verstanden, Mr. Raymond«, sagte Alec und stand abrupt auf. »Ich werde nun bald einen Vertrag mit Mr. Paxton abschließen. Dann werde ich Ihre Dienste wieder in Anspruch nehmen.«
Gleich darauf schlug er den Weg zum Haus der Paxtons ein. Wie Genny ging er zu Fuß von der Chatham Street zur Charles Street. Einen Augenblick blieb er vor dem Haus stehen. Ihm gefiel die georgianische Architektur, die unter den Gebäuden in Baltimore vorherrschte. Der rote Ziegelstein war mit der Zeit verblichen. Aber es sah so aus, als würden die weißen Säulen der Hauseingänge alle paar Jahre neu angestrichen. Die Fenster hatten grüne Läden und Rahmen. Birken und Tulpenbäume überragten das zweistöckige Haus. Es war ein hübsches, ein behagliches Heim mit einem schönen, leicht abfallenden Vorgarten und einem weißen Zaun.
Moses begrüßte ihn und führte ihn nach oben zu Mr. Paxton.
»Miß Paxton ist in der Werft, Moses?«
»Ja, Sir. Geht immer schon früh hin, ja, das macht sie. Lannie is ganz ärgerlich, weil Miß Genny nie Zeit zum Frühstükken hat. So, Sir, hier sind wir.«
James Paxton saß in einem altmodischen Lehnstuhl aus poliertem Mahagoni, dessen Arm- und Rückenlehnen mit einmalig schönem hellblauen Brokat bezogen waren. Die Beine endeten in Adlerklauen.
»My Lord, kommen Sie herein, kommen Sie herein! Ich muß sagen, ich habe Sie zwar erwartet, aber noch nicht so früh. Moses, bring Tee für seine Lordschaft!«
Alec nahm in einem Armsessel mit gerader Rückenlehne Platz, den er näher an Mr. Paxton herangerückt hatte. »Ich komme wegen der Werft«, sagte er ohne Einleitung. »Ich muß Ihnen sagen, daß ich mit Absicht zu einer Zeit gekommen bin, da Genny nicht hier ist. Ich will Ihnen keinen blauen Dunst vormachen, Sir. Wenn Genny dort weiterhin das Kommando führt, sind Sie in kurzer Zeit ruiniert. Die Männer dieser Stadt werden in einer Werft, die von einer jungen Frau geleitet wird, wie Mr. Raymond Genny zu nennen pflegt, nie einen Klipper kaufen, und wenn er noch so hervorragend konstruiert ist.«
»Das weiß ich«, sagte Paxton. »Das Problem ist nur, was man tun soll.«
»Ich kaufe Ihnen die Werft in Bausch und Bogen ab. Für 60000 amerikanische Dollar.«
James Paxtons Miene verriet keinerlei Regung. »Das würde Genny das Herz brechen«, sagte er mit leiser Stimme. »Sie arbeitet hart, sie ist mit viel größerer Hingabe dabei, als ihr Bruder Vincent es jemals war. Sie hat Köpfchen, das Mädchen. Sie versteht viel vom Schiffsbau und ist eine gute Seglerin. Nein, es würde ihr das Herz brechen. Ich kann ihr das nicht antun.«
»Aber wenn sie weiterhin die Arbeiten leitet, werden Sie beide alles verlieren. Man muß sie dazu bringen, daß sie Vernunft annimmt.«
»Und unter Vernunft verstehen Sie, daß ein Mann die Werft leiten soll«, sagte James Paxton mit einem tiefen Seufzer. »Verflucht, daß mich mein Körper so im Stich läßt … Mit 55 Jahren war ich noch kerngesund, Alec, immer auf dem Sprung, immer bereit, es mit jeder Arbeit und jedem Gegner aufzunehmen. Dann bekam ich eines Tages diesen schrecklichen Schmerz in der Brust, und mein linker Arm wurde völlig taub … Nun, ich will nicht jammern. Aber Genny weh tun? Was soll ich nur machen?«
»Sir, Ihr Tee und die Hörnchen.«
»Danke, Moses.«
Nachdem Moses wieder gegangen war, fuhr James Paxton fort: »Entschuldigen Sie, Alec, aber ich sehe nur eine Lösung. Man muß so tun, daß alle Welt glaubt, ein Mann hätte die Leitung der Werft. Und die einzige Möglichkeit, das zu erreichen, ist, daß Genny heiratet. Wenn nicht Sie, dann einen anderen.«
»Wie Porter Jenks?«
»Nein, er ist kein anständiger Mensch. Er hat jetzt drei Sklavenhändlerschiffe laufen – nach der letzten Zählung. Bei Kriegsende
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