Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
Autotür ließ Philippe endlich reagieren, wenn auch unwillig. Es war an der Zeit, Demy aus einer Gefahr zu retten, von der sie, so vermutete Philippe, nicht einmal etwas ahnte.
Kraftvoll stieß er sich von der Hauswand ab, überquerte betont lässig die Straße und ergriff Demy von hinten an den Schultern. Die junge Frau zuckte erschrocken zusammen.
»Versuchen Sie den Umschlag unauffällig verschwinden zu lassen und kommen Sie mit mir. Vermeiden Sie jede hektische Bewegung, es sei denn, Sie haben Lust, als Spionin verhaftet zu werden und unangenehmen Befragungen und Gefängnisaufenthalten ausgesetzt zu sein.«
»Was soll das?«, rief Demy ungehalten und wehrte sich gegen seinen festen Griff.
»Wir gehen nach links, in Richtung Notre Dame. Ich lege jetzt meinen Arm um Sie. Streiten können Sie später mit mir, sobald wir in Sicherheit sind.«
Philippe zog Demy das Kuvert aus der Hand, steckte es blitzschnell zwischen Türrahmen und Tür durch einen Schlitz und legte dann seinen Arm um ihre schlanke Taille. Mittlerweile näherten sich ihnen feste Männerschritte. Kleine Schweißperlen traten Philippe auf die Stirn. Um sich fürchtete er nicht. Er besaß einen französischen Pass, in dem Paris als sein Geburtsort eingetragen war, zudem sprach er fließend Französisch. Demy hingegen ging nur so lange als Niederländerin durch, bis die Behörden ihren Wohnsitz überprüften. Und das würden sie tun, wenn sie die Frau vor dem Haus eines wegen Spionage verdächtigten Deutsch-Franzosen aufgriffen.
Erfreulicherweise folgte Demy seinem Befehl, wenngleich sie für etwas mehr Abstand zwischen sich und ihm sorgte. Als sie an dem zweiten geparkten Automobil vorbeikamen, öffneten sich auch dort die Türen.
»Weitergehen, Demy. Legen Sie Ihren Kopf an meine Schulter. Es wäre angebracht, etwas mehr Vertrautheit auszustrahlen.«
Demy gehorchte seiner geflüsterten Anweisung und er zog sie näher an sich. Ihre schwarzen Locken kitzelten ihn am Hals. Er spürte ihr Zittern, konnte jedoch nicht einschätzen, ob es von Furcht oder Wut herrührte. Gespielt einträchtig schritten sie die Straße entlang und bogen schließlich in die Rue du Cloitre Notre Dame ein. Rechts von ihnen ragten die beiden quadratischen Türme des gotischen Kirchengebäudes in den beinahe wolkenlosen frühabendlichen Himmel. Während sie an Notre Dame vorbeischlenderten, fand Demy ihre Sprache wieder.
»Was soll das alles bedeuten? Wer sind die Männer, die uns verfolgen?«
Philippe blieb stehen, drehte sich zu ihr und zog sie in seine Arme. Für einen Moment überkam ihn ein flaues Gefühl. Seit Udakos Tod damals in der afrikanischen Kolonie hatte er keine Frau mehr in den Armen gehalten. Doch ihre Situation war nicht dazu angetan, sich Gedanken darüber zu machen, wann er sein Herz wieder für eine andere Frau öffnen konnte.
Demy hielt still, was für Philippe ein deutliches Zeichen dafür war, dass sie die Gefahr erfasste, in der sie steckten. Ob seine warnenden Worte ausreichend gewesen waren oder ob sie wusste, wer in dem Haus wohnte, blieb momentan ungeklärt.
Philippe legte seine Wange auf ihr Haar und konnte somit unauffällig zurückschauen. Nur ein paar Schritte hinter ihnen stand ein Mann in Zivil, der intensiv die Türme von Notre Dame begutachtete, sich aber zum Gehen wandte, als Philippe Demy aus seinen Armen entließ und sie sich in Richtung Ile Saint-Louis bewegten.
Demy ergriff Philippes Rechte, was ihn zu einem grimmigen Grinsen verleitete. Dieses Mädchen war beeindruckend! Durch ihre Geste spielte sie ihrem Verfolger noch immer die verliebte Frau vor, hielt ihn aber auf gebührendem Abstand.
»Was hat das alles zu bedeuten?«, zischte Demy und warf ihm einen unfreundlichen Seitenblick zu.
»Das müsste ich wohl besser Sie fragen. Was für eine Nachricht geben Sie bei einem Mann ab, der unter dem Verdacht steht, in Deutschland für die Franzosen zu spionieren?«
»Oh«, entfuhr es Demy.
Philippe kniff die Augen zusammen, während sie an der Grünanlage vorbei und auf die Pont Saint-Louis zugingen. War Demy so unschuldig, wie sie tat, oder wusste sie sehr genau, wem sie eine Nachricht hatte überbringen müssen? Dem Wildfang war das durchaus zuzutrauen, selbst wenn sie inzwischen erwachsen geworden war und sich stilvoll zu kleiden und angemessen zu benehmen wusste.
»Ein Mann bat mich, seiner Verlobten eine Mitteilung zu überbringen. Er hat sich freiwillig zur Armee gemeldet und ihm blieb nicht mehr genügend Zeit, sich von
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