Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
Ihnen!«, entrüstete sie sich. »Zufällig befinden sich das Deutsche Reich und Frankreich im Krieg. Die Niederlande hingegen sind neutral. Und da ich einen Großteil meines Lebens in den Niederlanden verbracht habe, sehe ich dieses Land als mein Heimatland an.«
»Wer war dieser Mann, der Sie beauftragt hat?«, drängte Philippe auf eine Antwort auf seine vorrangigste Frage.
»Er hat mich gebeten , nicht beauftragt. Sein Name ist Clément Rouge, aber ich glaube nicht, dass Ihnen der von Nutzen ist.«
Philippe wandte den Blick von ihr weg auf auf das blaugraue Wasser, das an den Rumpf des Holzbootes schwappte. Clément Rouge, das klang nach Karl Roth. Hatte sich der Mann, den er – gemeinsam mit Eric van Campen, Demys Vater – für den Mörder seiner Verlobten hielt, also doch nach Frankreich abgesetzt und arbeitete jetzt als Informant für den französischen Geheimdienst? Philippe biss die Zähne zusammen. War es also kein Zufall, dass er vor einer Woche hier in Paris auf Karl Roth, seinen ehemaligen Unteroffizier im Dienste der kaiserlichen Schutztruppe Deutsch-Südwestafrikas gestoßen war? Roth hatte sich niemals gänzlich dem Vorwurf entziehen können, an dem Überfall auf die Missionsstation in Windhuk beteiligt gewesen zu sein. Nach diesem Vorfall, bei dem ein kleiner Junge und Philippes Verlobte Udako zu Tode gekommen und Philippe schwer verletzt worden war, war Roth ins Deutsche Reich zurückversetzt und dort unehrenhaft entlassen worden.
Nicht zum ersten Mal fragte sich Philippe, ob Roth etwas mit dem überraschenden Tod van Campens zu tun hatte. Vielleicht hatten die beiden noch eine offene Rechnung aus ihrem Diamantengeschäft zu begleichen gehabt?
Philippe warf einen flüchtigen Blick auf Demy, die versonnen die Spiegelungen der Sonne im Flusswasser beobachtete. Wusste Clément Rouge, wie Roth sich nun nannte, wer die Frau war, die er gebeten hatte, eine vermutlich hochbrisante Nachricht an seinen Spitzelkollegen zu überbringen? Hatte er geplant, eine van Campen-Tochter gezielt in Schwierigkeiten zu manövrieren, oder war ihr Zusammentreffen rein zufälliger Natur gewesen? Womöglich hatte Rouge bemerkt, dass er vom französischen Geheimdienst verfolgt wurde, und war auf diese Weise elegant seine Nachricht losgeworden, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen …
»Kennen Sie diesen Rouge schon länger?«, bohrte Philippe nach und beobachtete, wie das Mädchen aufschrak.
»Ich? Nein. Als ich das Stadthaus der Ledouxs verließ, kam er die Straße entlang geeilt und hielt mich mit der Bitte auf, einen Brief an seine Verlobte abzugeben.«
Philippe, der seinen Verdacht bestätigt sah, dass Roth der van Campen-Tochter bewusst aufgelauert hatte, verkniff sich die Frage, wohin ihr Weg sie ursprünglich hatte führen sollen. Er sah sie so lange nachdenklich an, bis sie den Kopf wegdrehte und wieder aufs Wasser blickte. »Ich werde Sie unverzüglich aus Paris hinaus und über die Grenze schaffen.«
»Unverzüglich? Wie stellen Sie sich das vor?«
»So, wie ich es sagte: sofort.«
Demy atmete laut aus und blitzte ihn herausfordernd an. »Der Grenzübertritt ist morgen bestimmt nicht wesentlich schwieriger als heute.«
»Demy, Sie sind in Gefahr!«, knurrte Philippe, aufgebracht über ihr zu ständigem Widersprechen aufgelegtes Wesen. Vielleicht sollte er sie einfach ihrem Schicksal überlassen! »Und das nicht nur, weil Sie als Deutsche fröhlich durch Paris spazieren und dabei das Augenmerk des Geheimdienstes auf sich ziehen, sondern auch, weil dieser Clément Rouge Sie gefunden hat.«
»Gefunden?«
Jetzt hatte er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Mit ihren blauen Augen sah sie ihn verwirrt an und wirkte dabei erstaunlich verletzlich. Er holte die Paddel ein und legte die tropfenden Ruderblätter vorsichtig links und rechts von ihr auf dem Dollbord ab.
»Clément Rouge hieß vor sechs Jahren, als er in Afrika seine Pflichtdienstjahre ableistete, Karl Roth. Er steht im Verdacht, für einen erfolglosen Diamantschürfer in der Namib-Wüste Überfälle auf andere Minen und Diamanttransporte unternommen zu haben, bei denen es auch Tote gab.«
Die Querfalten, die auf Demys schmaler Nase entstanden, zeigten ihm deutlicher noch als ihre zusammengezogenen Augenbrauen, wie weit ihre Überlegungen vorausjagten und wie ungern sie ihm Glauben schenken wollte.
»Sein Auftraggeber van Campen verließ Afrika fluchtartig; Roth, dem nichts bewiesen werden konnte, wurde ins Deutsche Reich zurückgeschickt und
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