Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
schlammigen Untergrund. Aus der zusammengekauerten Position starrte Adrian seinen Zugführer mit weit aufgerissenen Augen an, während um sie herum nervöses Gemurmel laut wurde.
»Mit dieser Haar- und Gesichtsfarbe gehört er als Signalpunkt auf einen dieser vermaledeiten Flugplätze und nicht in einen Graben«, fluchte Waldmann, hob das Gewehr und jagte zwei Schüsse zurück.
Links von ihm wollte einer der anderen Neuen es ihm wie elektrisiert gleichtun, wurde aber von Ulrich Unzer, seinem erfahrenen Begleiter, zu Fall gebracht, indem dieser ihm gezielt in die Kniekehle trat. »Hat jemand was von Schießen gesagt, Bürschlein?«, sagte Unzer ungerührt und nahm dem Jungen namens Wolfgang Göke das Gewehr ab, bevor der ihn mit seinem Seitengewehr versehentlich aufspießte.
»Da hängen Leichen im Stacheldraht«, zischte Adrian, sobald er sich aufgerappelt hatte. Der Schreck war ihm noch immer anzusehen, allerdings war er sichtlich bemüht, davon abzulenken.
Hannes sah es mit Erleichterung. Aus dem Klassenkasper konnte ein guter Soldat werden. Vorausgesetzt, er lebte lange genug.
»Die hängen da schon lange«, grunzte Waldmann. »Wenn du genau hinschaust, kannst du sehen, wie weit die Ratten sie von unten her abgeknabbert haben.« Der Feldwebel verdrehte die Augen, als er hörte, wie sich nur Sekunden später hinter ihm jemand übergab. »Allerdings wirst du es nicht sehen, wenn die da drüben gut aufpassen. Und das tun sie, wie du bemerkt hast.«
»Ja, Herr Feldwebel.« Adrian lehnte sich kleinlaut an die nasse Holzverkleidung, wohl um sein Zittern zu verbergen. Unzer bellte unterdessen den schmächtigen Heinz Markt an, er solle zusehen, wie er die Sauerei zu seinen Füßen wegschaffte.
»Wie alt ist der Junge?«, fragte Waldmann Adrian, der an Hannes vorbei zu Heinz blickte und ein mitleidiges Gesicht zog.
»Ein Genie, deshalb jünger als wir alle. Ich vermute gerade mal achtzehn, Herr Feldwebel.«
»Kindergarten, sag ich doch!«, konterte Waldmann mit einem wütenden Blick in Hannes’ Richtung.
Er nahm wohl an, dass sein Leutnant nichts dafürkonnte, dass ihnen die Burschen zugeteilt worden waren. Hannes wusste es besser und fragte sich, ob er sich fortan anders verhalten sollte, damit er nicht länger in dem zweifelhaften Ruf stand, gut für seine Leute zu sorgen. Bei der Erinnerung an das Gespräch mit Theodor – und damit auch an seine anschließende Nacht mit Dorine – versank er in düstere Grübeleien. Sein Gesichtsausdruck und die fest um die Waffe gekrallten Hände hielten selbst Waldmann davon ab, ihn nochmals anzusprechen.
Die Schuldgefühle übermannten Hannes. Er ließ sich mit dem Rücken gegen die Grabenwand fallen. Warum hatte er dem eindeutigen Angebot der Frau nicht widerstehen können? Nur weil die Worte von Theodor ihn an seine unerfüllten Wünsche erinnert, sie in ihm angeheizt hatten? Er hätte gar nicht erst durch diese Tür treten sollen, denn damit waren alle nachfolgenden Handlungen vorgegeben gewesen. Er hatte Edith und die Kinder schrecklich hintergangen!
Beim Gedanken an seine beiden kleinen Mädchen krampfte es ihm den Magen zusammen, und er klammerte sich an seine Schusswaffe wie an einen Rettungsanker. Ein selbstzerstörerischer Zorn auf sich selbst erfasste ihn. Im Augenblick wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass sie den Befehl erhielten, aus der Deckung zu springen, um den gegnerischen Schützengraben einzunehmen. Er wollte seine Wut auf sich selbst und auf Dorines Verführungskünste an ihren Landsmännern abreagieren.
***
Waldmann hatte zwei Männer zum Essenfassen geschickt, da die Gulaschkanonen der Feldküche nicht in die Schützengräben gebracht werden konnten. Bei Einbruch der Dunkelheit waren sie noch nicht zurückgekehrt, was den Feldwebel veranlasste, wie ein Kutscher zu fluchen. Nichts brachte den Unteroffizier aus der Ruhe, es sei denn, er bekam seine ohnehin mageren Mahlzeiten nicht. Selbst Eisenburgs Vermutung, die Jungs könnten sich im Grabensystem verlaufen haben, beruhigte ihn nicht.
Hannes, dem der Magen ständig knurrte, überlegte gerade, ob er zwei der in ihren Liegestellen schlafenden Soldaten wecken und zum Essenfassen schicken sollte, kam aber nicht mehr dazu. Genau vor ihm detonierte ein Artilleriegeschoss. Sand, Holz und Steine spritzten ihm entgegen.
Adrian hatte sich reaktionsschnell neben ihm zu Boden geworfen und sprang ebenso schnell wieder auf. Von seiner Uniform tropfte der Matsch. Abwartend sah der Junge Hannes an. In
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