Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
Mineur oder sonst jemand vorbeikommt, der hinter die Front geht, geh mit und melde dich bei der Frontleitstelle. Ich schreibe dir eine Mitteilung. Die gib dort ab! Hast mich verstanden?«
Ein paar Worte, mehr ein Wimmern, drangen zu ihm durch: »Sie werden mich alle für einen Feigling halten und mich verspotten.«
»Wir brauchen Männer mit Köpfchen in den Etappen, bei den Funkern, in der Starkstromkompanie oder sonst wo, wo du deine Fähigkeiten unter Beweis stellen kannst. Nicht jeder ist für die Front gemacht. Da gibt es keinen Grund zu spotten.« Hannes’ letzte Worte wurden von einem Aufjaulen begleitet, dem eine gewaltige Detonation folgte. Der Himmel schien in Flammen zu stehen. Graue Rauchwolken zogen über ihn und den jetzt laut jammernden Burschen hinweg.
»Bleib einfach hier in Deckung, bis ich jemanden finde, der dich zurückbringt!«, wies Hannes ihn an und erhob sich. Er jagte ein paar der erschrocken aus ihren Höhlen kletternden Neuen zurück, obwohl er annahm, dass sie – im Gegensatz zu Hillgart – kein Auge mehr zutun würden. Doch solange die Artillerie sie mit einem Teppich aus Geschossen belegte, hielten auch die Jungs im gegenüberliegenden Schützengraben die Köpfe fein unten.
***
Im Morgengrauen eines weiteren trüben, nasskalten Tages endete der schwere Beschuss. Zufrieden blickte Hannes den Grabenabschnitt entlang. Noch hatte er keinen Mann eingebüßt, wenngleich sie nach dieser einen Nacht aussahen, als hätten sie sich eine Woche lang im Dreck gesuhlt. Sie verschmolzen förmlich mit der dunklen Erde des Aushubs, was aber nicht zwingend ein Nachteil für ihre Sicherheit darstellte.
Seine vier Unteroffiziere verstärkten die Wachen, die durch kleine Vertiefungen oder provisorisch angelegte und getarnte Schießscharten die gegnerische Linie im Auge behalten sollten. Allerdings glaubte Hannes nicht an einen Infanterieangriff, wie es sie noch vor Tagen gegeben hatte. Es gab keinen Platz mehr, um zu agieren. Aus diesem Grund buddelten sich beide Seiten zunehmend tiefer ein und bemühten sich darum, die Grabensysteme auszubauen und zu vervollkommnen.
Als es abgesehen von dem einen oder anderen kurzen Scharmützel in verschiedenen Frontabschnitten ruhig wurde, kauerte sich Hannes hin, zog seinen Notizblock und den Bleistift aus der Tasche und verfasste eine Nachricht für Heinz.
Erst als Adrian ihn ansprach, wurde ihm bewusst, dass der ihm beim Schreiben über die Schulter sah. »Sie sind ein feiner Kerl, Herr Leutnant. Ich bin froh, bei Ihnen gelandet zu sein.«
»Und ich werde in deinen Augen gar nicht mehr fein sein, wenn du noch mal meine Post liest!«, fauchte Hannes den respektlosen Kerl an, der erschrocken zurückzuckte.
»Jawohl, Herr Leutnant. Ich tue es nicht wieder, Herr Leutnant!«, erwiderte er und stand stramm. Hannes zerrte ihn zurück in die Deckung. Prompt deckte ein MG sie mit einer hektisch knatternden Salve ein.
»Bestens, jetzt hast du noch ein M G -Nest auf uns aufmerksam gemacht!«, knurrte Hannes und gab seinen Unteroffizieren durch Zuruf und einen Wink zu verstehen, dass sie ihre Männer aus den Erdhöhlen jagen sollten.
Die Anspannung in ihm stieg schlagartig an, als er sein Gewehr auf die oberste Schicht brauner Erde legte und versuchte, zwischen den wie achtlos hingeworfenen Stacheldrahtschleifen hindurch auf die Gegenseite zu sehen. Eine hastige Bewegung jenseits des Feldes veranlasste ihn, einen gezielten Schuss abzugeben, worauf kurz Stille herrschte, ehe die wütende Antwort folgte.
»Feiner Kerl, ja?!«, murmelte er grimmig und schob die Nachricht in die Uniformtasche. Er dachte an Edith und fühlte sich hundeelend.
Wieder mischte sich das Maschinengewehrtrommeln unter die Gewehrschüsse, wobei der Schütze ihren Standpunkt genau im Visier behielt. Ihr Vorteil war nur, dass sie höher lagen als die Franzosen.
Hannes ließ den M G ler schießen und gab Eisenburg und Lasswitz, die sich mit ihren etwa zehn Mann ganz außen befanden, durch Bubi, der wie immer gewandt und fast unsichtbar durch den Graben flitzte, die Erlaubnis zurückzufeuern.
Betrübt senkte er den Kopf, sodass er mit seiner Stirn an der nassen Grabenwand lehnte. Er focht seinen eigenen inneren Kampf angesichts seiner Schwäche aus. Die Scham, die ihn übermannte, wenn er daran dachte, wie viel Spaß er mit Dorine gehabt hatte, ehe sein Hirn wieder zu arbeiten begonnen hatte, marterte ihn.
»Was macht er denn? Jemand muss was tun!« Adrians Gebrüll riss Hannes aus dem
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