Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
Maria, nicht wahr? Sie war damals bei euch in der Wohnung, als eure Schwester Helene starb.«
Peter ließ einen klagenden Laut hören, begleitet von einem lauten Knurren seines Magens. Demy kräuselte die Nase. Wie lange die Heranwachsenden wohl keine ordentliche Mahlzeit mehr bekommen hatten? Seit dem überraschenden Tod ihrer Mutter? Demy wagte es nicht, Peter an der Hand zu nehmen, obwohl eine innere Stimme sie förmlich dazu drängte. Doch der Junge war in einem Alter, in dem er das vermutlich nicht wollte.
Begleitet von Henny huschten sie und die Brüder durchs Foyer, verschwanden schnell in der Arbeitskammer, die den Haupttrakt mit dem Seitenflügel verband, und betraten unentdeckt die Küche.
Seit Meindorff eine Anzahl Angestellter entlassen hatte, war Maria täglich in der Küche zu finden, um mit Hand anzulegen. Angetan mit Haube und Schürze baute die stämmige Frau sich vor den Eindringlingen auf. »Sind das nicht die Scheffler-Zwillinge?«, fragte sie gewohnt resolut in die Runde.
Peter wich einen Schritt zurück, sodass er gegen Demy stieß, die ihm beruhigend die Hände auf die schmalen Schultern legte. Willi hingegen verbeugte sich ungelenk und lächelte Maria hoffnungsvoll an.
»Setzt euch da an den Tisch. Henny bringt euch Frühstück, derweil spreche ich mit Demy.« Ihrem Kommandoton widersetzte sich niemand, und so standen Demy und Maria wenig später vor der Küchentür im Flur. »Was hat das zu bedeuten? Sie haben es zuvor nie gewagt, einen Ihrer Schützlinge ins Haus zu bringen!«
»Das würde ich auch heute nicht tun, Maria. Die Schwester der beiden hat sie wie alte Gepäckstücke hier abgestellt. Ihre Mutter starb vor ein paar Wochen, sagte sie. Ich vermute, Peter und Willi waren seitdem auf sich allein gestellt. Immerhin verbringt Lieselotte ihre freie Zeit bei ihren Versammlungen und in der Redaktion dieser feministischen Zeitung. «
Maria runzelte die Stirn, ließ Demy aber weitersprechen.
»Offenbar wird auch ihr Schulgeld nicht mehr bezahlt.«
»Sie sind alt genug, um eine Lehre anzufangen.«
Demy seufzte laut, verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken und lehnte sich gegen die Wand. »Ach, Maria, ich hatte mir für sie eine andere Zukunft erträumt. Sie sind beide sehr gelehrig und könnten später studieren.«
»Sie kennen viele Familien, die in der Lage wären, diese Kinder zu unterstützen«, sagte Maria, verwarf diesen Gedanken aber wieder, wie ihre abwehrende Handbewegung verriet. »Das haben Sie schon vor Jahren versucht, nicht wahr? Heute wird es um ein Vielfaches schwieriger sein. Die Preise für Lebensmittel und Gebrauchsgüter steigen, seit die Briten eine Seeblockade verhängt haben. Überall geht die Angst um, da findet sich keine Seele, die diese Kinder fördert.«
»Und was mache ich jetzt mit ihnen?«
»Diese Lieselotte wird sie heute Abend doch wieder abholen!«
Demy wiegte den Kopf, ehe sie hilflos die Schultern in die Höhe zog. »Ich weiß es nicht. Sie ist so gut wie nie zu Hause, falls die Schefflers dieses Loch überhaupt noch ihr Eigen nennen. Wer weiß, ob irgendjemand daran gedacht hat, die Miete zu bezahlen.«
»Erkundigen Sie sich lieber nach den Verhältnissen, bevor wir uns den Kopf zerbrechen.«
»Darf ich die beiden heute hier im Bedienstetentrakt lassen?«
»Ja, ich beschäftige sie mit kleinen Arbeiten. Oder Sie geben Ihnen Schreib- und Rechenaufgaben.«
»Danke, Maria!« Demy griff nach der Türklinke und fügte hinzu: »Und das ausgerechnet jetzt. Der Arzt hat dem Rittmeister doch Schonung verordnet!«
»Der Herr Rittmeister muss davon ja nichts erfahren.«
Etwas gezwungen lachte Demy auf. Noch eine Heimlichkeit mehr … »Ich spreche mit Willi, dann sehen wir weiter.«
In diesem Augenblick erklangen feste Schritte im Flur, was die beiden Frauen veranlasste, sich zu dem Neuankömmling umzudrehen. Demys Herzschlag beschleunigte sich, als sie in dem Uniformierten Philippe erkannte. Hilfe suchend griff sie nach Marias Hand und erntete einen überraschten Blick von dieser. Als der Oberleutnant sie fast erreicht hatte, flüsterte die Haushälterin: »Ich hatte gehofft, diese Verbindung sei mehr als ein neuer Versuch, Ihre jüngeren Geschwister zu schützen!«
»Ach, Maria«, sagte Demy leise, drückte noch mal ihre Hand und straffte die Schultern. Was auch immer Philippe veranlasste, das Haus Meindorff zu betreten, sie würde ihm die Stirn bieten!
»Demy!«, grüßte er, verbunden mit einer knappen, eher lässigen Verbeugung, ehe er
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