Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
auf Demys geschlossene Zimmertür. Das Schicksal von Hannes ging ihr erstaunlich nahe, aber Hannes hatte ihm gegenüber einmal angedeutet, dass Demy und er eine Art geschwisterliche Zuneigung füreinander empfanden. Vielleicht war sein Ziehbruder ein Familienersatz für das Mädchen gewesen? Jetzt blieb ihr nur noch Edith. Und ihre Geschwister … Das war weitaus mehr, als Philippe an Vertrauten aufweisen konnte.
Allerdings schien Demy wieder in irgendwelchen Schwierigkeiten zu stecken, sofern er Maria richtig verstanden hatte. Philippe warf der Haushälterin, die noch immer neben der geschlossenen Tür des Rittmeisters ausharrte, einen fragenden Blick zu.
Als könne sie Gedanken lesen, trat die Haushälterin neben ihn. »Demy hat ein großes Herz. Sie würde nicht einmal einen dreibeinigen blinden Hund seinem Schicksal überlassen. Erstaunlich bei ihrer Lebensgeschichte, finde ich. Aber vielleicht waren zumindest ihre Kindheitsjahre glücklich und von Liebe geprägt. Diese Liebe trägt sie durch die schweren Zeiten und macht sie stark, den Widrigkeiten ihres Lebens entgegenzutreten. Und es fällt mir schwer, das zuzugeben, aber anscheinend hilft ihr auch ihr Glaube an einen Gott, der ihr immer beisteht!«
Ohne auf eine Erwiderung zu warten ließ sie ihn stehen und verschwand durch die Verbindungstür im Seitenflügel des Hauses. Ihm blieb nichts anderes übrig, als wieder auf eine geschlossene Tür zu starren. Wollte Maria ihm mit ihren Worten etwas Bestimmtes mitteilen? Ihn womöglich warnen, Demy ja nicht wehzutun? War er der dreibeinige, blinde Hund? Philippe fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und brummte dabei missgestimmt vor sich hin.
Wenig später verließ der Arzt das Krankenzimmer und erlöste ihn aus seinen grüblerischen Gedanken. Dr. Stilz berichtete ihm von einer Herzschwäche und verordnete dem Rittmeister eine Woche strikte Bettruhe. Nachdem Philippe den Hausarzt hinausbegleitet hatte, kehrte er in das Arbeitszimmer seines Ziehvaters zurück. Er stellte den umgefallenen Stuhl auf, sammelte die verstreuten Unterlagen ein und versuchte, sie wieder den richtigen Hüllen zuzuordnen.
Dabei entdeckte er einen Brief seines Ziehvaters an Anton Fokker. Darin unterbreitete er das Angebot, seine Beziehungen spielen zu lassen, um Anthony bei der Suche nach guten Motoren behilflich zu sein. Das alles natürlich im Rahmen einer entsprechenden geschäftlichen Vereinbarung. Das Schreiben war mehrere Wochen alt. Weshalb hatte der Rittmeister es nie abgeschickt?
Philippe setzte sich, nahm sich weitere Unterlagen und sah sie mit zunehmender Beunruhigung durch. Unvollständige Erinnerungsnotizen, Briefe, die nie zu Ende geschrieben wurden und Nachrichten und Anfragen der Verantwortlichen aus der Fabrik, die offenbar von Meindorff ignoriert worden waren, lagen in einem wilden Durcheinander zwischen Papieren, die Josephs Brauerei betrafen. Vermutlich hatte der alte Meindorff die Geschäftsführung von Josephs Betrieb übernommen, nachdem der abgerückt war.
Das heillose Chaos ließ Philippe nicht nur vermuten, dass es dem Rittmeister schon längere Zeit schlecht ging, sondern auch, dass in den beiden führungslosen Fabriken katastrophale Zustände herrschen könnten.
Aufgeregt klingende Stimmen aus dem Foyer veranlassten ihn irritiert aufzusehen. Demys ärgerlicher Tonfall ließ ihn den Wirrwarr auf dem Schreibtisch verlassen und an die Tür treten.
»Willi und Peter waren gezwungen, über mehrere Wochen auf der Straße zu leben? Bei diesen Temperaturen!«
Philippe sah trotz der Entfernung, dass Demy das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. Aufgebracht stemmte sie die Hände in die Hüfte und schüttelte den Kopf. »Und Lieselotte hat die ganze Zeit über nichts gemerkt? Obwohl sie wusste, dass ihre Brüder nach dem Tod der Mutter allein auf sich gestellt zurückgeblieben waren, hat sie nicht nach ihnen gesehen, sondern ihre Abende und Nächte bei ihren Frauenrechtlerinnen verbracht? Ich kann das nicht glauben!«
»Willi hat es so erzählt«, bestätigte Maria ruhig. »Und ich sehe keine Veranlassung, dem Burschen nicht zu glauben. Ich stecke die beiden jetzt in die Badewanne. Die strotzen nur so vor Schmutz. Ich will gar nicht wissen, was sie auf der Straße erlebt haben und was ihre jungen Augen und Herzen alles sehen mussten!«
»Lieselotte war mir eine gute Freundin, allerdings verstehe ich sie von Jahr zu Jahr weniger. Heute wird sie etwas zu hören bekommen, wenn sie kommt, um Peter und
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