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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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Anzahl der Auseinandersetzungen zwischen dem Rittmeister und ihr hatte deutlich nachgelassen. Das lag nicht an einer allmählichen Annäherung oder an Demys Bereitschaft, sich seinen Regeln zu unterwerfen; vielmehr begegneten sie sich kaum noch. Ein zweiter Grund war, dass Meindorff sich umso weniger für sie zu interessieren schien, je länger Demy in seinem Haushalt lebte. Sie blieb ein unwillkommenes Anhängsel von Tilla, dem man besser nicht zu viel Aufmerksamkeit schenkte. Dieser Tage kam ihr sein Desinteresse entgegen, doch früher, als sie jünger gewesen war, hatte sie Geborgenheit, Ansprache und Anerkennung schmerzlich vermisst.
    Demy hob anmutig die Tasse an ihre Lippen, wie ihre einstige Gouvernante Henriette es ihr beigebracht hatte, und musterte über ihren goldenen Rand hinweg ihr Gegenüber. Erschrocken stellte sie fest, wie auffällig der Mann in den letzten Monaten gealtert war. Nunmehr vollständig ergraut lichtete sich das Haar zusehends, seine Haut wies vermehrt Altersflecken auf und hing ihm faltig über die Wangenknochen, was seinem Gesicht einen eingefallenen Ausdruck verlieh. Obwohl Meindorff seine Hände auf dem Tisch aufstützte, entging Demy nicht ihr Zittern. Ebensowenig ließ sich das unnatürlich kräftige Heben und Senken seiner Brust bei einem jeden mühsamen Atemzug übersehen. Der Mann war nicht nur gealtert, sondern befand sich in einer miserablen körperlichen Verfassung.
    Demy fühlte Sorge in sich aufsteigen, was sie selbst ein wenig verwunderte. Schließlich hatte dieser Mann ihr das Leben nicht gerade leichtgemacht. Immer wieder hatte er sich über ihre Wünsche hinweggesetzt und sie vor vollendete Tatsachen gestellt. Dennoch rührte der sichtliche Verfall des einst so willensstarken und erfolgreichen Industriellen ihr Herz.
    »Herr Rittmeister?«, wagte sie es ihn anzusprechen. Der Mann reagierte nicht, sondern starrte weiterhin auf seine ineinandergeflochtenen Finger. Eindringlicher und begleitet von einem kräftigen Aufsetzen ihrer Tasse auf die Untertasse versuchte sie es erneut. »Herr Rittmeister?«
    Tatsächlich runzelte Meindorff die Stirn und hob langsam den Kopf, als fiele ihm dies unendlich schwer. »Sagtest du etwas?«
    »Möchten Sie nicht Ihre Mahlzeit einnehmen, Herr Rittmeister? Ich besorge Ihnen gern einen neuen, heißen Kaffee.«
    Meindorff blinzelte irritiert, ehe er nickte. Also erhob Demy sich, um ihm den auf einem Stövchen warm gehaltenen Kaffee in eine frische Tasse zu gießen. Sie trat um den massiven Eichentisch herum und stellte die Tasse samt Untertasse vor ihm ab. Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen und ging neben dem erneut in Gedanken versunkenen Mann in die Knie. Sie legte ihre Hand auf seine beiden, woraufhin er verwundert den Kopf hob und sich ihr zuwandte. »Fühlen Sie sich nicht wohl, Herr Rittmeister? Soll ich Ihren Arzt verständigen lassen?«
    »Ach, Blödsinn!«, fauchte er und griff nach seiner Tasse. Allerdings zitterte seine Hand so sehr, dass er den heißen Inhalt über den Tisch und seinen Teller verschüttete.
    Demy glitt auf die Knie, nahm ihm die Tasse aus der Hand und stellte sie zurück. Ein Blick in sein beschämtes, verwirrtes Gesicht erschreckte sie, dennoch wagte sie nach seinem Ausbruch nicht mehr, ihn nochmals anzusprechen.
    Sein Blick wanderte von der zitternden Hand, die er so intensiv musterte, als könne er nicht glauben, dass sie zu ihm gehöre, zu seinem mit Kaffee bekleckerten Teller und schließlich zu Demy.
    »Vielleicht hast du recht. Ich habe Dr. Stilz schon lange nicht mehr gesehen.«
    Demy begriff, welcher Fehler ihr unterlaufen war: Eine Schwäche einzugestehen war für den stolzen Geschäftsmann unmöglich. Sie lächelte zu ihm auf und erwiderte: »Dr. Stilz wird sich über eine Einladung bestimmt freuen. Am besten, ich rufe ihn persönlich an.«
    »Charles weiß die Nummer seines Telefonanschlusses.«
    Demy jagte ein schmerzlicher Stich durchs Herz, sie erinnerte Meindorff aber nicht daran, dass der englische Butler sofort bei Kriegsbeginn in seine Heimat zurückgekehrt war. Vermutlich verfügte auch Maria über die benötigten Informationen.
    Ohne ihn um Erlaubnis zu bitten räumte sie sein Gedeck ab, bereitete ihm ein neues Frühstück zu und füllte diesmal die Tasse nur zur Hälfte. Erst als sie sah, dass er nach dem Brötchen griff, verließ sie den Raum, um Maria zu suchen.
    ***
    Dr. Stilz, ein hagerer Mann mit grauem Haar, einem spitzen Kinnbart und gezwirbeltem Schnäuzer, verweilte lange

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