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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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Ziele mit heißem Feuereifer voran.
    Entlang der Fenster des Weißen Salons rankten sich Eisblumen in überschwänglicher Fülle, als wollten sie das in Gedanken versunkene Kindermädchen vor allen äußeren Einflüssen schützen.
    Anki saß auf der Couch, die Augen auf das orangefarbene Feuer im offenen Kamin gerichtet. Ihre Überlegungen und Gefühle befanden sich in ähnlichem Aufruhr wie die züngelnden Flammen. Seit sie im Sommer vor über einem Jahr Dr. Botkin mit ihrer Bitte aufgesucht hatte, sich für den in Gefangenschaft geratenen Robert einzusetzen, hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Waren seine Bemühungen um Robert im Sande verlaufen? Hatte gar Rasputin diese zu verhindern gewusst? Der Krieg und Rasputin – bedeuteten sie den Niedergang des mächtigen russischen Reiches?
    Anki legte ihr Buch, in dem sie ohnehin nicht gelesen hatte, beiseite und betrachtete die vom Feuer in goldenes Licht getauchten Eisblumen. Der Krieg wuchs sich für Russland mit mehreren Millionen getöteten, verletzten und vermissten Soldaten zur Katastrophe aus. Die Bevölkerung hungerte und suchte nach einem Schuldigen. Man fand ihn in Nikolaj II . Der Zar, obwohl dauerhaft in seinem Armeehauptquartier Mogiljow, konnte das Kriegsgeschick nicht wenden. Auch Zariza Alexandra, von vielen Bürgern und immer mehr Militärs als deutsche Spionin verdächtigt, empfand man zunehmend als einen schmerzhaften Stachel im Fleisch. Das größte Misstrauen wurde Rasputin entgegen gebracht, der, so besagten die Gerüchte, Minister ernannte und entließ und Einfluss auf die Kriegsführung zu nehmen versuche. Seine Macht war beängstigend angewachsen, seit er praktisch ununterbrochen im Alexanderpalais ein und aus ging, gegen den ausdrücklichen Wunsch des Zaren – so berichtete Ljudmila bei einem ihrer seltenen Treffen. Nikolaj habe Rasputin mehrmals schriftlich dazu gedrängt, in seine Heimat zurückzukehren. Seine Anwesenheit bedeutete für Ljudmila, dass sie ihre Stellung als Hofdame für die Großfürstinnen nicht mehr ausüben konnte.
    Seit ihrem Zusammentreffen im Vorjahr hatte Anki den Starez nicht mehr gesehen. Ihre Erleichterung darüber war groß, ebenso wie über die Tatsache, dass die Staatssicherheit wohl nie über ihren Namen gestolpert war oder das Kindermädchen als zu unwichtig einstufte, um sich mit ihr zu befassen.
    Aufgeregte Stimmen von der Galerie ließen Anki den Kopf heben. Nina und Raisa verließen gerade Ninas Zimmer und ihre Absätze klapperten über die Galerie. »Es heißt, die Polizei wisse davon. Das Gerücht geht um, dass die Mordpläne gegen Rasputin sogar aus dem Hause Romanow stammen!«, erklärte Raisa ihrer Freundin in erregtem, fast begeistertem Tonfall. »Stell dir vor, selbst die engsten Verwandten der Zariza und des Zaren wollen den Tod ihres speziellen Freundes und Beraters. Rasputin wagt sich kaum noch aus dem Haus.«
    »Ich habe ihn nie kennengelernt«, meinte Nina eher gleichgültig.
    »Er ist faszinierend! Ich muss dich ihm bald einmal vorstellen.«
    Anki sprang auf und riss dabei beinahe den Beistelltisch mit der Mosaikplatte um. Die Vorstellung, Raisa könne Nina zu Rasputin bringen, schnürte ihr die Kehle zu und versetzte ihr Innerstes in Aufruhr. Ab sofort würde sie Nina jeden Ausflug mit Raisa verbieten, selbst gegen den Trotz und Zorn der Prinzessin an. Sie musste unverzüglich einen Boten zu Fürstin Chabenski schicken. Nina entzog sich immer mehr Ankis Einfluss, und nur ihre Großmutter konnte die junge Dame dazu bewegen, weiterhin den Anordnungen eines Kindermädchens zu gehorchen, dem Nina ohnehin entwachsen war.
    Anki wartete, bis sich die Stimmen im Haus verloren, ehe sie den Weißen Salon verließ und die Stufen hinunter ins Foyer hastete. Im Besucherzimmer schrieb sie eine knappe, aber eindringlich formulierte Nachricht und bat schließlich Jakow, Alex damit zum Palast der Witwe zu schicken. Nachdem Jakow, dem die Kälte dieses Winters gehörig in den Knochen saß, mit schlurfenden Schritten verschwunden war, blieb Anki aufgewühlt im Foyer zurück.
    Es war verwunderlich, wie offen man in Petrograd von den Mordplänen sprach, die angeblich in den Adels- und Regierungskreisen gegen Rasputin ersonnen wurden. Ob das Gerede der Wahrheit entsprach oder sich letztendlich als Gerücht entpuppen würde?
    Rasputins Verhalten zeugte jedenfalls von Angst. Er wurde nahezu rund um die Uhr beschützt, ließ nur enge Vertraute in seine Nähe und blieb, bis auf wenige Ausnahmen, in seiner Wohnung.

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