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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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Die Tatsache, dass Raisa Nina mit größter Selbstverständlichkeit einen Besuch beim Starez anbot, verhieß für Anki nichts Gutes. Offenbar hatte diese junge Frau Zugang zu dem unheimlichen Mönch!
    »Fräulein Anki?« Sie wandte sich der Treppe zu und erblickte Jelena am Geländer der Galerie, die den Ballsaal umspannte. Die Dreizehnjährige klammerte sich am Handlauf fest und trotz der Entfernung und der hereinbrechenden Dämmerung erkannte Anki Tränen auf ihren runden Wangen.
    Zwiegespalten warf sie einen Blick auf die nur angelehnte Speisesaaltür, aus der Raisas unangenehm hohe Stimme bis zu ihr drang. Eigentlich wollte sie die beiden Mädchen im Blick behalten, da sie aber auf die abendliche Mahlzeit zu warten schienen, lief Anki zurück zur Treppe und diese hinauf.
    »Jenja ist bei ihrem Gehversuch gefallen. Sie hat sich den Kopf an einer Kommode gestoßen. Marfa meinte, ich solle Sie benachrichtigen.«
    »Komm mit«, rief Anki, stürmte an Jelena vorbei und in das ehemalige Zimmer von Nina. Lautes Gebrüll begrüßte sie, in dem Marfas Beschwichtigungsversuche gänzlich untergingen. Das Kleinkind lag mit hochrotem, tränennassem Gesicht an der runden Schulter der Zofe und brüllte nur noch lauter, als es Anki sah.
    »Aber Jenja, wenn du so schreist, kannst du mir doch nicht sagen, was geschehen ist.« Anki ließ sich auf die Knie fallen und nahm der sichtlich überforderten Marfa das Mädchen ab. Dieses schloss den Mund und lehnte sich, von heftigen Schluchzern geschüttelt, Trost suchend an die Njanja. Dabei deutete die Kleine mit der Hand auf eine nicht vollständig zugeschobene Schublade einer schweren Eichenkommode.
    »Du bist auf die Schublade gefallen?«
    Jenja nickte an ihrem Hals und wischte sich dabei ihr Gesicht an der hochgeschlossenen Bluse des Kindermädchens ab.
    »Wo tut es weh?«, erkundigte Anki sich und Jenja hob den Kopf. Auf ihrer Stirn, unterhalb des Haaransatzes, wölbte sich eine bereits blau unterlaufene Beule gewaltigen Ausmaßes und die angespannte Haut sah aus, als würde sie jeden Moment aufplatzen.
    »Jelena, lauf bitte in den Speiseraum. Wir benötigen dringend ein kaltes Tuch, am besten eins, das mit Eis gefüllt ist.«
    Das Mädchen stürmte davon, dafür kam Katja näher. Ihre großen blauen Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. »Kann ich helfen?«
    »Bis Jelena zurück ist, könnten wir etwas anderes Kaltes gebrauchen.«
    Katja nickte und lief an die Fensterfront. Ein eiskalter Windzug ließ Anki aufblicken und lächeln. Das kleine Mädchen dachte an das Naheliegendste! Sie griff in den Schnee auf dem Fenstersims, formte einen Schneeball und brachte ihn Anki, die ihn an Jenjas Stirn presste, obwohl diese zurückschreckte.
    »Das war ein ausgezeichneter Gedanke von dir«, lobte Anki Katja, bat sie dann aber, das Fenster wieder zu schließen.
    Als Jelena mit einem Geschirrtuch und einer Schüssel Eis aus dem Kühlraum zurückkehrte, lachte Jenja schon wieder, da ihr der allmählich schmelzende Schnee in kleinen Rinnsalen über das Gesicht floss.
    Anki nahm Eis und Tuch entgegen und tauschte die klein gewordene Schneekugel dagegen aus, doch Jenja hielt es nicht länger in Ankis Armen. Sie begann zu zappeln, bis ihr Kindermädchen sie endlich freiließ.
    »Marfa, würdest du bitte für Ordnung sorgen, ich muss nach Nina und Raisa sehen«, wies sie die Zofe an und eilte zur Tür, wurde jedoch von Jelena aufgehalten.
    »Die zwei sind nicht da.«
    »Wie bitte?«, rief Anki aus und wirbelte herum, was Jelena erschrocken zusammenzucken ließ. Mit ihren dunklen Kirschaugen starrte sie die sonst so besonnene ruhige Anki befremdet an. »Wo sind sie denn?«
    »Nina hat den alten Kutscher Pjotr angefordert. Er kutschiert sie.«
    »Wohin?«
    »Das weiß ich nicht. Tut mir leid«, flüsterte Jelena, verwirrt über die knappen Fragen ihres Kindermädchens.
    »Du kannst nichts dafür. Aber ich muss es wissen, wo sie sind, und sie notfalls suchen!« Anki drehte sich hilflos einmal um sich selbst. Was sollte sie denn nun tun? Sie konnte sich doch unmöglich in der Dunkelheit auf den Weg zu Rasputin begeben, zumal sie Alex mit einer Nachricht an die Fürstin fortgeschickt hatte und der einzige andere Kutscher mit Nina und Raisa unterwegs war.
    Einmal mehr bedauerte Anki, keinen Telefonanschluss nutzen zu können. Womöglich waren Raisa und Nina gar nicht auf dem Weg zum Starez, sondern zum Haus der Osminkens? Ob jemand von den Bediensteten wusste, welches Ziel die Mädchen gehabt hatten?

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