Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
Vom Netzwerk:
vernehmliche Verschieben eines Stuhls durch die Halle und der Achtjährige erhob sich. Ohne Scheu dankte er für die Speisen und setzte sich ebenso geräuschvoll wieder, wie er aufgestanden war.
    Für einen Moment herrschte Stille, doch dann nahm man die zuvor unterbrochenen Gespräche wieder auf und genoss das einfache, aber herrlich deftig schmeckende Kartoffelgericht.
    ***
    Philippe folgte Albert in einigem Abstand die Stufen hinauf. Sein Blick blieb an einer zusammengekauerten Gestalt neben dem Portal hängen, und während Albert die Tür aufriss und sein Zuhause betrat, wandte der Pilot sich der einsamen Person zu. Als er vor ihr in die Hocke ging, bemerkte er zum einen, dass es sich um ein junges Mädchen handelte, zum anderen, dass ihre Lippen vor Kälte blau waren und sie wie Espenlaub zitterte.
    »Wie lange sitzt du schon hier?«
    »Nicht lange.«
    »Wie heißt du?«
    »Grete.«
    »Und was tust du hier?«
    »Ich weiß, dass man hier manchmal etwas zu essen bekommt. Ich dachte, ich warte und vielleicht wirft nachher jemand etwas in den Müll.«
    Philippe runzelte die Stirn, betrachtete die beiden unterschiedlichen Stiefel des Mädchens, den fadenscheinigen Rock und den viel zu langen, schäbigen Mantel, in den sie sich gehüllt hatte.
    »Du wirst erfrieren, wenn du bei dieser Kälte draußen hockst«, merkte Philippe an. Zwei dunkelbraune Augen mit kleinen, hellen Sprenkeln darin sahen ihn gleichgültig an. Es waren diese Augen, die Philippe faszinierten. Sie glichen Udakos. Es dauerte geraume Zeit, bis er realisierte, dass der Schmerz, der über Jahre bei jedem Gedanken an seine verstorbene Verlobte sein Herz ergriffen und darin getobt hatte, einer sanften Traurigkeit gewichen war. »Komm mit hinein«, forderte er das Mädchen auf.
    »Das kann ich nicht.«
    »Ich lade dich ein.«
    »Wer sind Sie denn?«
    »Ich bin in diesem Haus aufgewachsen. Ich darf also getrost einen Gast mitbringen.«
    »Ich bin nicht so fein angezogen wie die anderen.«
    »Das stört niemanden, glaub mir.«
    »Nein.«
    Philippe erhob sich. Er wollte nicht weiter auf das Mädchen einreden, da er fürchtete, es könne weglaufen. »Dann warte hier, in Ordnung?« Er verharrte, bis die etwa Zehnjährige zustimmend genickt hatte, ehe er durch die nur angelehnte Tür das Haus betrat.
    Fröhliches Gelächter und angenehme Wärme, dazu würziger Essensduft schlugen ihm entgegen. Die Garderobe quoll von einfachen, aber gepflegten Mänteln und Jacken über. Mützen, Schals und selbst gestrickte Handschuhe vervollkommneten Philippes Verdacht, dass Demy zu einer in diesem Haus eher ungewöhnlichen Gesellschaft geladen hatte.
    Ohne seine fellgefütterte Fliegerjacke auszuziehen durchschritt er das Vorfoyer und sprang die Stufen in die Halle hinauf. Sein Erstaunen war groß, als er sowohl Hannes als auch Edith unter den Gästen entdeckte. Ob Demy die Dreistigkeit besessen hatte, den Rittmeister in seinem Zimmer einzusperren?
    Philippes Augen suchten die junge Frau und fanden sie im Gespräch mit einem stattlichen, ihm unbekannten Stabsoffizier mit Adjutantenschärpe. In diesem Augenblick lachte sie fröhlich auf, und der Mann legte seinen Arm hinter ihrem Rücken auf ihre Stuhllehne.
    Philippe runzelte die Stirn. Als verlobte Frau sollte sie Zuneigungsbekundungen dieser Art eigentlich unterbinden. Mit festem Schritt ging er auf sie zu und stützte sich auf die Rückenlehne ihres Stuhls, sodass der Fremde seinen Arm zurückziehen musste. Der erstaunlich junge Hauptmann zog sich höflich zurück, um Demy mehr Raum zu geben, und sie erhob sich.
    »Sie?«, fragte sie erstaunt und lächelte dann Albert an, der in diesem Augenblick Hannes, seine Ehefrau und die beiden Mädchen begrüßte.
    »Mein Flugschüler und ich dachten, es sei eine gute Idee, die Feiertage hier zu verbringen«, erklärte er und warf dem Fremden einen argwöhnischen Blick zu.
    »Ihr Flugschüler?« Demys Nase kräuselte sich missbilligend.
    »Das war nicht meine Idee. Sie brauchen also nicht sofort über mich herzufallen. Aber ich möchte Sie bitten, mich einen Moment vor die Tür zu begleiten.«
    Der Hauptmann, der unfreiwillig Zeuge ihres Gesprächs wurde, räusperte sich vernehmlich, was Philippe veranlasste, die Augenbrauen in die Höhe zu ziehen und sich dem Mann zuzuwenden.
    »Entschuldigung«, stammelte Demy, und Philippe fragte sich, ob er die Spur eines schlechten Gewissens aus ihrer Stimme heraushörte. »Darf ich vorstellen: Hauptmann Theodor Birk, der Trauzeuge von Hannes.

Weitere Kostenlose Bücher