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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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lange geschlafen? Wäre es nicht sinnvoll gewesen, bereits in den frühen Morgenstunden ihre Flucht aus Frankreich fortzusetzen?
    Sie legte Lederjacke und Decke zu Philippes Jackett, Hemd und Schlips auf den Stamm eines umgestürzten Baumes und beschattete mit beiden Händen ihre Augen. Der Pilot stand, den Oberkörper nur mit einem Trägerhemd bekleidet, beim Flugzeug und füllte aus einem silbernen Blechkanister Treibstoff in den Tank. Ein gemächliches Glucksen begleitete sein Tun.
    Eilig lief Demy zum Bach, wusch sich notdürftig, flocht ihren zerzausten Zopf neu und ging daraufhin zu Philippe.
    »Morgen«, begrüßte er sie knapp. »In dem Beutel neben meinem Jackett finden Sie Brot, Käse und eine Flasche Wasser. Mehr war nicht aufzutreiben.«
    »Danke, ich bin nicht hungrig. Wann sind Sie zurückgekommen? Ich habe Sie gar nicht gehört.«
    »Vor etwa vier Stunden.«
    »Erst vor vier Stunden?« Erstaunt zog sie die Nase kraus und musterte Philippes Profil. Außer einem dunklen Stoppelbart wirkte er so frisch wie am Vortag. Konnte der Schlafmangel ihm denn nichts anhaben?
    Philippe schraubte den Kanister zu und drehte sich in ihre Richtung. Dabei entdeckte sie an seinem muskulösen linken Oberarm, knapp unterhalb der Schulter, eine weiß glänzende Narbe. Ob sie von der Schussverletzung stammte, die er in Afrika erlitten hatte? Soweit sie damals überhaupt über seine Verwundung informiert worden war, hatte man von mehreren Schusswunden gesprochen.
    »Ein schlechtes Gewissen?«, fragte er spöttisch, als er ihren neugierigen Blick bemerkte, und ging so dicht an ihr vorüber, dass sie die Narbe in aller Ausgiebigkeit betrachten konnte.
    »Aus welchem Grund, Herr Meindorff, sollte mich ein schlechtes Gewissen plagen? Ich habe Ihnen nichts getan, oder?«
    »Sie haben nicht auf meinen wohlmeinenden Rat gehört«, gab er unfreundlich zurück. »Deshalb muss ich Ihretwegen diesen Flug wagen und mir die Nächte damit um die Ohren schlagen, mit einem gestohlenen Motorrad herumzufahren, um Flugbenzin aufzutreiben«, lenkte er vom eigentlichen Inhalt ihrer Frage ab. »Was ich gefunden habe, reicht, wenn wir Glück haben, bis Straßburg. Dort gibt es seit rund zwei Jahren eine Flugstation der preußischen Versuchs- und Lehranstalt für das Flugwesen Döberitz. Zumindest ist es heute windstill. Wir starten in ein paar Minuten.«
    In Demys Blick spiegelte sich ihre Angst. Es bestand die Gefahr, dass der Treibstoff nicht bis zum nächsten Flugplatz reichte? Womöglich kamen sie nicht einmal über die französischen Berge hinweg, die sich gestern in der Dämmerung wie ein unüberwindliches Hindernis vor ihnen aufgebaut hatten?
    Unschlüssig drehte sie sich um. Von den großen, dunklen Felswänden war, jetzt bei Tageslicht, nicht viel übrig geblieben. Die begrünten Hügel ragten kaum höher als 300 Meter vor ihr auf. Hatte sie sich so sehr getäuscht? Vielleicht war Philippe bei Einbruch der Nacht wesentlich tiefer geflogen als zuvor, da er einen versteckt liegenden Landeplatz gesucht hatte? Aus diesem Grund könnten ihr die Berge höher und bedrohlicher erschienen sein.
    Untätig und deshalb etwas beschämt blieb Demy neben dem Flugzeugflügel stehen, während Philippe sich ankleidete. Den Kanister stellte er in die Scheune. Er nahm den Brotbeutel auf und drückte ihn ihr in die Hand. Gleich darauf reichte er ihr Claudes Schutzbrille, die Lederkappe, die Decke und seine eigene Lammfelljacke, ehe er in das Fluggerät kletterte, ohne ihr zuvor hineinzuhelfen. Demy warf den Beutel in die Aussparung vor ihrem Sitz und zog sich die Flugmontur über. Was aber sollte sie mit der dicken Lederjacke anfangen?
    »Gehen Sie nach vorn neben den Propeller«, wies Philippe sie an. »Sie dürfen diesem einen Schubs geben. Umwickeln Sie dafür Ihre Hände mit der Jacke und weichen Sie anschließend sofort zurück. Sobald der Motor rund läuft, ziehen Sie sich die Jacke über, auch wenn es Ihnen zu Beginn unseres Fluges zu warm ist. Ich rechne entlang der Grenze mit französischen Beobachtern, und deshalb sind wir eventuell gezwungen, in mehrere Tausend Meter Höhe hinaufzusteigen. Dort oben ist es lausig kalt.«
    Mehrere Tausend Meter Höhe? Demy untersagte es sich strikt, über diese Information nachzudenken und fragte: »Und was ist mit Ihnen?«
    »Die Kälte ist ein probates Mittel, um wach zu bleiben«, erwiderte er zynisch und warf ihr einen unfreundlichen Blick zu.
    Auf Demys Nase bildeten sich die üblichen kleinen Falten.

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