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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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Berliner Umfeld gegen die Franzosen zu hören bekommen hatte. In Frankreich mochte es nicht anders zugegangen sein, vor allem hier, in unmittelbarer Nähe der ewigen Zankäpfel Elsass und Lothringen.
    Unruhig wanderten ihre Blicke über die grauen Flächen der Felder und die schwarz in den nächtlichen Himmel ragenden Bäume. Bei jedem Knacken im Gesträuch fuhr sie zusammen. Da sie ohnehin nichts tun konnte, entschied sie, sich auf ihr Lager zurückzuziehen. Sie flocht ihren Zopf neu, bettete ihren Kopf auf die Jacke ihres Tweedkostüms und starrte zu den schmalen Ritzen im Dach hinauf, durch die sanft das Licht des Mondes schimmerte. Der klagende Ruf einer Eule erklang, ihren zweiten hörte sie schon nicht mehr – ebenso wenig wie die sich leise nähernden Schritte, da sie, ganz entgegen ihrer Vermutung, doch eingeschlafen war.

Kapitel 5
    Berlin, Deutsches Reich,
August 1914
    Lieselotte Scheffler wühlte sich energisch durch die Menschenmenge, die sich in den Straßen Berlins drängte. An diesem Tag achtete niemand auf ihren burschikosen Haarschnitt und die Tatsache, dass sie keinen Rock, sondern Hosen trug. Feldgraues Drillichzeug beherrschte das Stadtbild, wurde nur hin und wieder von ein paar der veralteten blauen Uniformen mit auffällig rotem Kragen unterbrochen. Vorbeimarschierende Truppen, begleitet von Frauen jeden Alters, die mal jubelten, mal weinten, hielten die Straßenbahnen auf. Die Busse waren längst für den Kriegsdienst requiriert worden.
    Lieselotte schoss wütende Blicke auf die begeistert winkenden Menschen ab und verzog spöttisch den Mund, als sie sah, dass die Soldaten sich Blumensträuße an die Spitzen ihrer Pickelhauben und an ihre Bajonette banden.
    War ihr Vater ebenso töricht gewesen, als er sich gleich nach der Mobilmachung freiwillig gemeldet hatte? Natürlich hatte er die sich ihm bietende Chance ergreifen müssen, um der quälenden, bereits über Jahre anhaltenden Sinnlosigkeit seines Lebens zu entkommen. Zuletzt war er in einem Steinkohlebergwerk beschäftigt gewesen, hatte dabei aber die bedrückende Enge und Dunkelheit in den Stollen kaum ertragen. Er, der Landwirt, der vor ihrem Umzug in die Stadt tagein, tagaus unter freiem Himmel Felder gepflügt und bebaut und weite Wiesenflächen gemäht hatte, hatte letztlich nicht mehr einfahren können, weshalb er auch diese Arbeit verloren hatte.
    Die Frauenrechtlerin verdrängte alle zwiespältigen Gedanken an ihren Vater und die Mutter, die sich weiterhin in der Brauerei des jungen Joseph Meindorff für einen Hungerlohn den Rücken krumm schuftete. Sie kam gerade von einem Treffen mit ihren beiden Mentorinnen, Minna Cauer und Hedwig Dohm. Hedwig wetterte noch immer aufgebracht gegen die Kriegsbegeisterung und die Tatsache an, dass sich sogar Karl Liebknecht – ebenso wie dreizehn andere SP D -Politiker – zwar gegen eine Bewilligung der Kriegskredite ausgesprochen, jedoch aus Fraktionsdisziplin im Reichstag dafür gestimmt hatten. Sie alle hatten sich von der patriotischen Propaganda anstecken lassen. Letztlich hatte der gesamte Reichstag einstimmig die horrenden Kredite abgesegnet, die den Krieg finanzieren sollten.
    Zu allem Überfluss forderte Minna derzeit einen Disput mit der schlagfertigen Hedwig heraus, da Erstere erstaunlicherweise begeistert auf die kriegstreibenden Parolen reagierte und sich für den Krieg aussprach.
    »Die Welt spielt verrückt!«, murmelte Lieselotte halblaut vor sich hin.
    »Lieselotte!« Die Gerufene drehte sich einmal um ihre eigene Achse, sah den Mann aber nicht, der sie so vertraulich ansprach. Erst als ein Uniformierter mit der üblichen Pappschachtel für die Zivilkleidung unter dem Arm direkt vor ihr stand, musste sie sich der unangenehmen Wirklichkeit stellen, dass nicht alle ihre Freunde in Zivil bleiben wollten – oder konnten.
    »Anton?« Entsetzt musterte sie den jungen Mann, der bis vor einigen Jahren als Schlafbursche in ihrer heruntergekommenen Hinterhauswohnung ein- und ausgegangen war. Seit Demys Freundin Lina Barna dafür gesorgt hatte, dass ihr Vater, ein bedeutender Physik-Professor, Anton unter seine Fittiche nahm, hatte Lieselotte ihn kaum noch gesehen, da sie die Beziehungen zu Demys Freundinnen in den bürgerlich-akademischen Kreisen abgebrochen hatte. Deren Variante der Frauenrechtsbewegung empfand sie als zu schwammig und brav.
    »Bist du eingezogen worden? Dein Pflichtjahr nach dem Abitur liegt doch schon länger zurück. Und dein Wissen, deine Forschung …?«
    Skeptisch

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