Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
Kurzem an Theodor gerichtet hatte: Ich hoffe, sie lässt sich niemals wieder so ausnutzen, wie ich sie ausgenutzt habe. Schmerz und Schreck vermischten sich mit Schuldgefühlen. War Demy erneut ein Opfer der rigorosen Verkuppelungsversuche seines Vaters geworden?
»Lese ich Erstaunen über die Anzeige in deinem Gesicht?«
» Erstaunen ?« Hannes stieß das Wort förmlich hervor. »Demy konnte Philippe nie leiden! Und ich glaube nicht, dass der Vagabund und sie in den letzten Wochen viel Gelegenheit hatten, sich besser kennenzulernen, da Philippe Berlin meidet und Demy die Stadt schwerlich verlassen kann, außer sie begleitet ihre reisehungrige Schwester.«
»Der Vagabund und die Begleitung der reiselustigen Schwester könnten sich im Ausland getroffen haben.«
Hannes zog die Schultern hoch und betrachtete noch mal die verzierten Buchstaben und die mit Ornamenten eingefasste Annonce.
»Möglich ist das natürlich. Ich vermute jedoch vielmehr …« Er brach ab und stieß einen derben Kraftausdruck aus. Was hatte er Demy nur angetan? Es war seine Schuld, dass sie in Berlin noch immer als die verprellte Jungfer galt und junge Männer sich Gedanken darüber machten, weshalb ein Meindorff ihr eine mittellose Frau und den damit verbundenen Skandal samt der Trennung von der Familie vorgezogen hatte. Er war es gewesen, der das hilfsbereite Mädchen dazu überredet hatte, ihm diesen Gefallen zu tun und während er glücklich verheiratet war, litt sie seit sechs Jahren unter diesem Plan.
»Meine arme Demy«, murmelte er gegen den leichten Wind an, der über die Hügel strich und den Bäumen ein verhaltenes Rauschen entlockte.
»Arme Demy? Ich dachte, es freut dich zu hören, dass sie endlich einen Mann gefunden hat.« Theodor nahm ihm die Zeitung aus der Hand.
»Demy und Philippe haben sich von ihrer ersten Begegnung an Wortgefechte geliefert«, erzählte Hannes. »Mein Ziehbruder kann furchtbar arrogant und selbstgefällig sein, zudem ergießt er seinen Spott gerne über Leute, die es ihm dahingehend leicht machen.«
»Aber doch nicht, wenn es sich dabei um eine Frau handelt!« Theodor sah ihn entsetzt an, und Hannes lachte bitter auf.
»Philippe leistet sich ein absolut gestörtes Verhältnis zu Frauen. Früher konnte er nicht die Finger von ihnen lassen, dann verliebte er sich in Deutsch-Südwest in eine Schwarze, die vor seinen Augen ermordet wurde. Seither ist er, was das weibliche Geschlecht betrifft, enthaltsamer als ein Mönch. Zumindest gibt er sich so. Vielleicht ist er auch einfach nur vorsichtig geworden, was seine Frauengeschichten anbelangt. Demy war damals ein gefundenes Fressen für ihn. Er verdächtigte sie sogar, sie habe mit ihrer Altersangabe geschummelt und sei viel jünger, als sie zu sein vorgab. In seinen Augen focht er seine Dispute mit einem frühreifen Kind aus, nicht mit einer jungen Dame!«
Hannes verfiel in Schweigen, versunken in der Überlegung, ob Demy und Philippe sich mittlerweile angefreundet haben könnten. Doch diese Vorstellung war einfach zu absurd. Der Gedanke, dass sein Vater einmal mehr die Finger im Spiel hatte, lag dagegen sehr nahe. Immerhin hatte der im Jahr 1908 auf eine Verlobung zwischen Demy und Hannes gedrängt, um Edith aus Hannes’ Leben zu verbannen.
Hannes wusste seinen Ziehbruder seit Längerem in Schwerin, gelegentlich auch in Johannistal. Philippe war mittlerweile ein vor allem vom weiblichen Geschlecht umschwärmter Pilot – und von denen gab es nicht viele. Er entwarf und baute für diesen großspurigen Holländer Fokker Flugzeuge. Seltsam an der undurchsichtigen Angelegenheit fand Hannes allerdings, dass Philippe, der sich bisher vehement gegen eine arrangierte Ehe zu Wehr gesetzt hatte, dieser Verlobung zugestimmt haben musste. Dabei hatte er sich vor Jahren sogar eigens nach Deutsch-Südwestafrika versetzen lassen, um einer Zwangsehe zu entkommen. Welches Druckmittel hatte der Rittmeister in der Hand, das Philippe zwang, nun doch eine von seinem Ziehvater ausgesuchte Braut anzuerkennen?
Dass es dem alten Meindorff nicht passte, Demy und ihre jüngeren Geschwister in seinem Haus zu beherbergen, wusste Hannes von den Betroffenen selbst. Demy hatte Edith einmal in einer schwachen Minute unter Tränen gestanden, dass der Rittmeister ihr unmissverständlich das Gefühl gab, ein lästiger Eindringling zu sein. Er hielt sie für eine Schmarotzerin, die sich mit ihren beiden Geschwistern auf seine Kosten ein leichtes Leben machte. Im Grunde wartete Demy seit
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