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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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Statur ging bereits auf die 40 zu.
    Hannes raunte ihm zu: »Ich sehe mich mal um.«
    »Ich kümmere mich schon um die Jungs, Herr Leutnant.«
    Wie so oft hatte Hannes den Eindruck, als spräche der Spieß wie ein besorgter Vater, wobei er den angemessenen Respekt nicht vermissen ließ. Er mochte Otto Waldmann. Selbst wenn dieser ihn mit seiner Behäbigkeit gelegentlich aufregte, war er froh, den bedachten Mann an seiner Seite zu wissen. Waldmann strahlte Ruhe und Gelassenheit aus, eine seltene Gabe in dem Chaos, in dem sie sich momentan befanden. Die Soldaten, vor allem die jüngeren unter ihnen, vertrauten dieser Mutter der Kompanie inzwischen bedingungslos, obwohl er erst später zu ihnen gestoßen war.
    Hannes stapfte die staubige Straße entlang, vorbei an den geräumten Häusern in Richtung des größeren Bauernhofes, in dem das Offizierskasino eingerichtet worden war. Die in Reih und Glied marschierenden Soldaten eines abrückenden Zuges hielten ihn auf. Kurzentschlossen folgte er ihnen, um sich erst einmal selbst ein Bild von der Lage zu machen. Die Front war ohnehin nicht mehr weit entfernt, wie ihm die Lautstärke der Detonationen verriet.
    Über die mit Sträuchern und schlanken Birken bewachsenen Hügel näherte er sich einer größeren Erderhebung. Während der Zug weitermarschierte, blieb er auf dem Hügelrücken stehen und hob seinen Feldstecher an die Augen. Sofort ließ er ihn wieder sinken. Sein Herz raste, sein Atem dagegen war ins Stocken geraten. Pulverdampf stand in grauschwarzen Wolken knapp oberhalb der sumpfigen Landschaft. Über ihm knatterte ein Flugzeug, dessen leinwandbespannte Flügel, von der noch heißen Septembersonne angestrahlt, hell aufleuchteten. Die Luft roch nach Feuer, Pulver und versengtem Fleisch.
    Hannes zwang sich, den Feldstecher zurück an die Augen zu führen. Er musste sich vergewissern, ob das, was er gesehen hatte, der Realität entsprach, selbst wenn sich der Anblick in sein Gehirn zu fressen drohte wie Säure.
    Unterhalb des Hügels stand kein Baum und kein größerer Strauch mehr. Alles war niedergemäht, glatt gebügelt, dem Erdboden gleichgemacht. Überall lagen tote Soldaten; Deutsche, wie unschwer zu erkennen war. Sie lagen nebeneinander, übereinander. Der Boden war übersät von Körpern, so weit das Auge reichte.
    Langsam hob Hannes die Hände an, mit denen er das Fernglas krampfhaft umklammert hielt. Er überblickte immer mehr des vor ihm liegenden Schlachtfelds, doch das Bild änderte sich nicht. Zwischen rauchenden Einschlagkratern und aufgeworfenen Erdhügeln lag Soldat neben Soldat. Der über die Kraterlandschaft wabernde graue Rauch war nicht dicht genug, um die Leichen vor seinem Blick zu verbergen, so sehr Hannes es auch wünschte.
    Weiter hinten mischten sich französische und britische Uniformen unter die deutschen, und dahinter waren es fast ausschließlich die Toten des Gegners, die Hannes ins Auge fielen. Sie verschwammen auf die Entfernung zu unkenntlichen Schatten, schließlich zu schmalen Strichen, da er keine Einzelheiten mehr erkennen konnte. Aber selbst diese Striche blieben grauenhaft anzusehen, waren es ihrer doch unendlich viele!
    Die Ernte einer furchtbaren Saat. Gab es auf beiden Seiten überhaupt noch einen Überlebenden oder lagen sie alle auf dem Feld vor ihm, umgemäht wie ein Wald nach einem Wirbelsturm?
    Weitere Detonationen und das Stakkato von Gewehrsalven belehrten ihn eines Besseren. Es mussten noch Männer hüben wie drüben am Leben sein. Und sie schossen weiterhin aufeinander; vermehrten die Ernte von Gevatter Tod.
    Hannes wandte sich ab. Torkelnd wie ein Betrunkener trat er den Rückweg an. Was habe ich getan?, fuhr es ihm durch den Kopf. Wie hatte er diese Hölle befürworten können, sich für sie einsetzen, sie verteidigen, herbeisehnen?
    Verwundert betrachtete er die Birken, die ihre zarten, silbergrünen Blätter der Sonne entgegenreckten. Ihre dünnen Zweige schaukelten friedlich im sanften Wind. Jenseits des Hügels stand kein Baum mehr. Dort war alles braun, karg, leblos. Benommen von dem grauenvollen Anblick betrat Hannes die Ortschaft und bemerkte die dort herrschende Unruhe. Truppenteile marschierten ab, Marketender 18 schafften ihre Waren fort, Sanitäter stürmten an ihm vorbei.
    Es wäre besser, Totengräber zu schicken , wollte Hannes ihnen zurufen, doch ein Blick in die verhärmten Gesichter des Sanitätstrupps zeigte ihm, dass sie heute nicht das erste Mal zum Frontabschnitt liefen.
    Sein Zug, zumindest

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