Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
ebenfalls weißen Blusen waren mit verschiedenfarbigen Schärpen um die Hüfte tailliert. Während Olga, Tatjana und Ljudmila sich mit ausladenden Hüten vor der Sonne schützten, bevorzugte die einstmals etwas pummelige, sanfte, jedoch durchaus kokette Marija, die in den letzten Jahren zu einer wahren Schönheit herangereift war, einen Sonnenschirm. Die vier Damen unterhielten sich auf Russisch, während sie zuvor mit der britisch-deutschstämmigen Zariza Englisch gesprochen hatten.
Olga, mit ihren 18 Jahren die Älteste der Geschwister und Ljudmila am meisten zugetan, flüsterte mit der Gesellschafterin. Die Mädchen blickten zu Anki und steuerten die Picknickdecke an. Anki wollte sich erheben, um die Großfürstinnen angemessen zu begrüßen, doch Katja war in ihrem Schoß eingeschlafen.
»Weck das Kind nicht, Njanja Anki. Bleib bitte sitzen.« Olga löste sich von Ljudmila und unterstrich ihre Worte mit einer grazilen Handbewegung.
Anki lächelte und bedankte sich mit einem Nicken. Die vier Mädchen setzten sich auf die rot-weiß karierte Decke. War sie zu Beginn noch zurückhaltend, was ihre Beteiligung an dem Gespräch betraf, so fühlte Anki sich von Minute zu Minute wohler mit den jungen Damen. Die Großfürstinnen wurden im privaten Rahmen des Alexanderpalastes nicht mit ihrem Titel, sondern einfach mit ihrem Vor- und Vaternamen angesprochen und hielten es für selbstverständlich, dass auch Anki dies so handhaben solle. Die Unterhaltung wechselte zwischen leichten Themen, wie der Kunst, ihrer Vorliebe für Mode, über Hunde und Pferde auch zu schwereren Inhalten wie dem Krieg und der Arbeit der zwei älteren Zarewnas als Rotkreuzschwestern in den mit Verwundeten überfüllten Krankenhäusern.
Ganz plötzlich, mitten im Satz, stockte Tatjana. Erschrocken riss sie ihre Augen auf. »Das Baby!« rief sie heiser.
»Aljoscha?« Olga rappelte sich auf die Knie und erhob sich eilends. Auch Anki drehte sich zum See um und sah noch, wie der kräftige Matrose Alexej behutsam vom Boden aufhob und in Richtung der sich mühsam aus ihrem Rollstuhl stemmenden Zariza trug. Die blanke Panik stand der Monarchin ins Gesicht geschrieben.
Die drei Großfürstinnen stürmten dem Marinesoldaten entgegen. Auf Olgas entsetztem Gesicht begannen die ersten Tränen zu glitzern. Ljudmila griff nach Ankis Hand.
Ein zweiter Schreckensschrei ließ Anki erneut den Kopf drehen. Unter heftigem Aufspritzen verschwand Jelena im Wasser, während Anastasia sich abwandte und mit dem nassen, an ihren Beinen klebenden Rock schwerfällig aus dem See und zu ihrem Bruder strebte.
Anki wollte zu ihrem Schützling eilen, doch Ljudmilas Griff um ihr Handgelenk hielt sie davon ab. »Ljudmila, lass mich bitte los«, bat sie die starr geradeaus blickende und am ganzen Leib zitternde Freundin. Nahm der eigentlich unbedeutende Sturz des Zarewitsch sie so sehr mit? Im Moment hatte Anki keinen Sinn für Ljudmilas Nöte, denn Jelena war noch immer nicht wieder aus dem Wasser aufgetaucht. Nur der aufgebauschte, fliederfarbene Stoff ihres Kleides tanzte zwischen den winzigen Wellen auf und ab. Weshalb kam die Kleine nicht mehr hoch? Wie lange konnte das Kind den Atem anhalten?
Panik drohte Anki zu überrollen. »Lass mich los, Ljudmila!« Ankis Befehlston bewirkte nur, dass ihre Freundin sich noch fester an sie krallte.
»Sie werden ihn holen. Sie werden ihn hierherholen«, stammelte Ljudmila.
Endlich durchbrach ein nasser Kinderkopf die trübe Wasseroberfläche. Anki stieß vor Erleichterung einen verhaltenen Schrei aus. Mit aufgerissenen Augen und weit aufgesperrtem Mund schnappte Jelena nach Luft. Endlich gelang es Anki, sich gewaltsam von Ljudmila loszureißen. Unsanft schob sie die erwachende Katja von sich, raffte ihren Rock und rannte zum See. Mitsamt Schuhen und Strümpfen lief sie ins aufspritzende Wasser hinein und zog das zitternde, orientierungslos wirkende Mädchen in ihre Arme.
»Anki, Anki.« Das Kind weinte und barg den Kopf am Hals des Kindermädchens.
»Es ist alles gut, Jelena«, versuchte Anki sie zu beruhigen. Unbeholfen, da der Rock sich hinderlich um ihre Beine wickelte und sie in dem aufgewühlten Wasser den Grund nicht sehen konnte, tastete sie sich zum Ufer vor. Dort ließ sie sich mit dem Mädchen zu Boden sinken.
Jelena löste ihre Arme von Ankis Nacken und schaute sie von vereinzelten Schluchzern geschüttelt an. »Warum mögen die Mädchen mich nicht? Weshalb sind sie böse zu mir? Ich tue ihnen doch nichts!«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher