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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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schließlich Medizinstudent, und mit einer Lungenentzündung wird er fertig werden.« Sie nahm ihre Tasche auf. Sie wollte noch etwas sagen, aber sie merkte, daß Maksim sie kaum verstehen würde. Seine Augen fielen schon wieder zu, er atmete schnell.
    Mascha verließ die Wohnung, mit einem entschlossenen Ruckzog sie die Tür hinter sich zu.
    Sie blickte auf ihre Uhr. Es blieb ihr nicht viel Zeit, wenn sie noch bei Ilja vorbeigehen wollte. Sie ging die Straße entlang und bemühte sich, ihrem Gesicht den Ausdruck einer ganz gewöhnlichen Bürgersfrau zu geben, die lediglich vorhatte, sich in die Schlange vor dem nächsten Lebensmittelgeschäft einzureihen.

    Ilja Wasilij Obolokow, Mitglied der bolschewistischen Partei, schlug die Tür seiner Wohnung hinter sich zu. Er hielt eine Tasche in der Hand, in die er eilig ein paar wichtige Utensilien gepackt hatte. Ein Fieberthermometer, ein Hörrohr, einige Tabletten und Tinkturen.
    Er wartete noch eine Weile, um nicht unmittelbar nach Mascha das Haus zu verlassen. Schließlich lief er hinunter. Seine Schritte hallten im Treppenhaus. Er blinzelte, als er hinaustrat.
    Die Sonnenstrahlen flimmerten hell.
    Er begriff nicht, wo die beiden Männer hergekommen waren. Sie tauchten so plötzlich auf, einer von rechts, der andere von links, als habe Zauberhand sie aus dem Boden wachsen lassen. Sie trugen Zivil. »Ilja Wasilij Obolokow?« fragte der eine. Ilja sah ihn an. Kühle, unbeteiligte Augen musterten ihn. Es hatte keinen Sinn zu leugnen. Zumal er seinen Paß mit sich trug. »Ja«, antwortete er daher, »ich bin Ilja Obolokow.«
    »Sie sind verhaftet. Folgen Sie uns.«
    Iljas Augen schweiften rasch die Straße hinauf und hinunter und blieben an dem Auto hängen, das auf der anderen Straßenseite geparkt stand. Es war leer. Keine Spur von Mascha. War sie entkommen?
    »Ich möchte wissen, weshalb man mich festnimmt!« sagte er kalt. Mit erstaunlich höflicher Stimme erwiderte seinGegenüber: »Sie sind Mitglied der bolschewistischen Partei. Die Regierung hat einen Haftbefehl gegen Sie erlassen. Wir müssen Sie bitten, ohne Widerstand mit uns zu kommen.«
    »Ich protestiere«, sagte Ilja, was ihm natürlich nicht im mindesten weiterhalf. Er mußte in das Auto klettern, ein Mann setzte sich neben ihn, der andere ans Steuer, und schon fuhren sie los.
    Die Straße lag still und leer hinter ihnen. Niemand hatte etwas von dem Zwischenfall bemerkt.
    Im Fiebertraum sah sich Maksim von verwirrenden Bildern heimgesucht. Er war wieder ein kleiner Junge und saß auf dem Schoß seiner Großmutter. Irgend jemand stellte eine Schüssel mit Kranzbeeren vor ihn hin und sagte mit eindringlicher Stimme: »Iß doch, Maksim. Komm, du mußt etwas essen!«
    Er versuchte, die Schüssel wegzuschieben, weil er auf einmal davon überzeugt war, die Beeren seien vergiftet. Ein Gesicht neigte sich dicht über seines, blaßgraue Augen betrachteten ihn besorgt. Dieses blasse Gesicht... ein eigentümliches Gefühl der Bedrohung beschlich ihn. Er war kein kleiner Junge mehr. Er war ein Mann, er roch den Duft des Sommers, sah, wie die Welt in Dämmerung versank. Vor ihm stand die blasse Frau mit den unglaublichen Augen, und er hätte gewünscht, Gott, er hätte gewünscht... Das Bild des Sommers verschwamm mit dem einer Berliner Straße, oder war es eine Straße in Petrograd, er konnte es nicht erkennen. Um ihn herum raste die Welt, brannten Feuer, glitzerte der Schnee rötlich in der Nacht. Er fragte sich, ob es vom Rauch kam, daß sein Hals so schmerzte, daß er nicht schlucken konnte. Er wünschte nichts mehr, als daß irgend jemand käme, das Feuer zu löschen.
    »Das Mittel gegen das Fieber müßte gleich wirken«, sagte eine tiefe Stimme. Sie sprach deutsch und flößte durch ihren bloßen Klang Zuversicht ein. »Nur einen Moment. Er wacht schon auf.«Maksim öffnete die Augen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er klar sehen konnte und sich Wände und Möbel an die richtigen Stellen schoben. Er erkannte einen grauhaarigen Mann, der ein Hörrohr um den Hals trug und ihn besorgt und aufmerksam musterte. Neben ihm stand Felicia. Sie sah elend und abgekämpft aus.
    Mühsam öffnete er den Mund. »Was... ist geschehen?«
    Der grauhaarige Mann nahm seine Hand und fühlte seinen Puls. »Es hat Sie ganz schön umgehauen, Monsieur. Eine schwere Lungenentzündung. Sie können Gott danken, daß diese junge Dame hier Sie gefunden und gleich mich zur Hilfe geholt hat. Ich bin Dr. Luchanow, der ehemalige Hausarzt der

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