Sturmzeit
zu. Kat, reizend anzusehen in einem gelben Organdykleid von Tante Belle, saß zwischen den beiden, in ihren Korbsessel gekuschelt wie eine Katze, ein Glas Sherry in der Hand, die Beine angezogen. Sie hatte eine Weile verträumt auf einen Strauch gelber Rosen geblickt, nun lehnte sie sich plötzlich vor und fing mit einer blitzschnellen Bewegung den Tennisball auf. Sie sah Andreas herausfordernd an. »Wenn Sie den Ball wiederhaben wollen, dann gehen Sie und bringen Sie mir eine von den gelben Rosen!«
Andreas, der für Kat durch die Hölle gegangen wäre, sprang sofort auf und lief hinaus in den strömenden Regen. Nikita sah ihm nach. Er schüttelte den Kopf. »Was machen Sie mit meinem Bruder, Kat?«
»Wie?«
»Er ist ganz verrückt nach Ihnen, ich glaube, er würde Sie auf der Stelle heiraten.«
Kat warf den Ball in die Höhe, fing ihn wieder auf. »Gefragt hat er mich noch nicht.«
»Natürlich nicht. Es gibt da eine Schwierigkeit. Sie scheinen nicht recht zu wissen, was Sie wollen. Es hat mal eine andere Sache in Ihrem Leben gegeben, stimmt das?«
Kat wandte sich ab und griff in eine Schale mit gezuckerten Walnüssen. »Und wenn es so wäre? Nimmt das Andreas jeden Mut?«
»Das kommt auf Sie an. Andreas ist unsicher, was Ihre Gefühle betrifft.«
»Ich bin selber unsicher«, gab Kat zurück. Dann schaute sie auf. Andreas kam die Treppe zur Veranda hinauf, er stand vor ihr, ein Regentropfen löste sich aus seinen nassen Haaren und perlte über seine Stirn. Er atmete etwas schneller als sonst, als er Kat die gelbe Rose reichte. Sie ergriff sie, und zum ersten Mal, seit sie ihm begegnet war, merkte sie, wie ihre Vorbehalte zerrannen und sich der Kummer darum, daß ihr etwas genommen worden war, noch ehe es richtig hatte entstehen können, in nichts auflöste. In Andreas' Bewegungen, in seinem Lächeln lagen soviel Charme, so viel Jugend, daß Kat in einer blitzhaften Erkenntnis begriff: Sie war ja selber noch jung!
Neunzehn war sie, und das Leben lag vor ihr, nicht hinter ihr. Es spielte keine Rolle, daß es sie nach Rußland verschlagen hatte, daß Krieg herrschte, daß es regnete... Ihr Lächeln ließ Andreas verwirrt innehalten. Nikita runzelte die Stirn. Hatte Kat begriffen, und verlor Andreas sein ewiges Zaudern? Es schien ihm, bei aller Neugier, angemessen, sich vom Schauplatz des Geschehens zu entfernen. Mit einer beiläufig gemurmelten Entschuldigung erhob er sich. Aber gerade in diesem Moment trat seine Mutter auf die Veranda.
Die Baronin war russischer Herkunft, und niemand wußte, auf welcher Seite sie in diesem Krieg stand. Auf jeden Fall waren es Reichsdeutsche gewesen, die ihren Mann bei Tannenberg erschossen hatten, und das konnte sie nicht vergessen. Sie verhehlte nie, daß sie Kat nicht besonders mochte.
Auch jetzt würdigte sie den Gast keines Blickes. Ihr Gesicht war bleich und verschlossen. In ihrem schnellen, harten Russisch sagte sie etwas zu ihren beiden Söhnen - obwohl sie sonst aus Höflichkeit in Kats Gegenwart französisch sprach. Beide Männer starrten sie an. Nikita erwiderte etwas auf russisch. Ein kurzer Disput folgte, und dann, wie unwillkürlich, sahen sie alle zu Kat hin. Die erhob sich unsicher. Sie konnte die Feindseligkeit spüren, die ihr von der Baronin entgegenschlug.
»Riga ist gefallen«, sagte Nikita leise, »die Deutschen stehen weit in Rußland.«
»Oh«, entgegnete Kat, ebenso leise. Sie wußte, die Baltendeutschen ersehnten das Heranrücken der deutschen Armee, aber Andreas stand zwischen den Fronten, und auf einmal merkte sie, daß etwas zwischen ihnen war, das keiner von ihnen verleugnen konnte, auf einmal war die Welt wieder grau. Es war Krieg, und es regnete.
»Es wäre vielleicht besser«, sagte die Baronin auf französisch zu Kat, »wenn Sie nun gehen würden.«
»Ich verstehe«, erwiderte Kat beherrscht. Sie hielt noch immer die Rose in ihren Händen und sah zu Andreas hin, der aber wich ihrem Blick aus und schaute zu Boden. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging die Treppe hinunter, durch den Vorgarten und dann die verschlammte Auffahrt entlang. Ihr Kleid durchweichte im Nu und hing als trauriger, gelber Fetzen an ihr, ihr schweres, dunkles Haar löste sich aus seinen Nadeln und Spangen und fiel pitschnaß über ihren Rücken. Sie fing an, schneller zu laufen, als sie weit hinter sich Andreas' Stimme vernahm, die nach ihr rief. »Kat! Kassandra!
Warten Sie doch! Sie können doch nicht ohne Mantel durch den Regen laufen! Warten
Weitere Kostenlose Bücher