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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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nicht. Wir sind Deutsche, und wir sind Großgrundbesitzer. Die Bauern - jedenfalls viele von ihnen - träumen von einer Revolution. Verstehst du?«
    »Ja.« Kat nickte und nieste gleich darauf. »Aber denkst du, sie würden uns wirklich etwas tun?«
    »Ich weiß nicht. Ich fände es nur klüger, wenn du hier nicht mutterseelenallein durch die Wälder liefest. Versprichst du mir, daß du das nicht mehr tun wirst?«
    »Ich verspreche es.« Kat hatte kaum zugehört, so tief war sie in eigene, weitaus schönere Gedanken versunken. Sie nieste schon wieder. Andreas faßte ihre Hand fester. »Jetzt nichts wie nach Hause«, befahl er, »denn erstens mußt du sofort ins Bett. Und zweitens will ich auf der Stelle um deine Hand anhalten.«
    »Überleg's dir lieber noch mal...«
    Andreas blieb stehen, nahm ihren Kopf zwischen seine Hände und küßte ihren Mund. »Ich muß nichts mehr überlegen. Nur - von deiner Familie ist niemand hier. Ich werde Belle von Bergstrom fragen müssen. Was sie wohl dazu sagen wird?«
    Belle sagte gar nichts dazu, weil sie den halben Tag in deliriumähnlichem Zustand verbracht hatte, endlich eingeschlafen und natürlich nicht in der Lage war, Besuch zu empfangen - schon gar nicht solchen, der in so ernster Angelegenheit kam. So wandte sich Andreas an Felicia, die von der ganzen Affäre tatsächlich keine Ahnung gehabt hatte und eine gewisse Erschütterung nicht verbergen konnte.
    »Weißt du«, sagte sie später zu Maksim, »ich bin weiß Gott nicht prüde. Aber als diese beiden Kinder vor mir standen, mit vollkommen verklärten Gesichtern und über und über - verstehst du, von Kopf bis Fuß - mit Erde und Gras verschmiert, und etwas davon faselten, sie seien ausgerutscht und sie wollten heiraten, da hätte ich um ein Haar gesagt: Meine Lieben, arrangiert so etwas doch bitte nächstens ein bißchen diskreter, damit man wenigstens nicht errötet bei eurem Anblick!
    Wirklich...«, sie schüttelte den Kopf, »nur gut, daß sie so ihrem Vater nicht gegenübergetreten ist!«
    Es war Abend, und die Hausmädchen hatten schon die Vorhänge zugezogen. Gegen die Scheiben pladderte der Regen. Felicia kauerte in dem kleinen, gemütlichen Zimmer, das für den kranken Maksim hergerichtet worden war, bewaffnet mit einem russischen Wörterbuch, denn sie hatte beschlossen, Russisch zu lernen. Maksim lag auf einem Sofa. Seit vier Wochen war er heute den ersten Tag fieberfrei, aber er sah erschreckend schlecht aus, zum Skelett abgemagert, hohläugig und durchscheinend blaß. Seine Augen, endlich unverschleiert, hatten einen harten, hungrigen Glanz. Felicia, die ihn insgeheim beständig beobachtete, erkannte in wachsender Angst: Er wollte weg. Er wollte nur noch weg.
    Um sich abzulenken, plapperte sie lebhaft weiter.
    »Hoffentlich hältst du mich nicht für altmodisch. Aber das geht doch alles ein bißchen weit, oder nicht? Ich meine, mitten am Tag, auf einem... Acker oder etwas ähnlichem...« Sie machte eine Pause und setzte dann düster hinzu: »Vor allem, wenn man bedenkt, daß Kat einen Verlobten an der Westfront hat... na ja, so gut wie verlobt waren sie jedenfalls!«
    Maksim erwiderte nichts. Eine ganze Weile war nichts zu hören als der Regen, der vor dem Fenster gleichmäßig rauschte. Endlich sah Maksim auf. »Felicia«, sagte er ohne Überleitung,»ich muß so schnell wie möglich nach Petrograd zurück. Jemand muß mich zum Bahnhof bringen.«
    Felicia versuchte zu verbergen, daß sie seine Worte verletzten. »Sei nicht albern«, erwiderte sie leichthin, »du bist heute den ersten Tag fieberfrei. Du mußt noch eine Woche im Bett bleiben und dann mindestens drei Wochen Ruhe halten.«
    »Ich bin gesund!« Maksims Stimme verriet, daß er sich nur mit einiger Anstrengung beherrschte. »Und ich war nie so krank, daß du mich mit hierher hättest nehmen müssen.«
    »Du warst sterbenskrank. Allein in diesem Keller hättest du keine achtundvierzig Stunden mehr gelebt!« Felicia nahm ihr Wörterbuch auf und tat so, als vertiefe sie sich wieder in die Vokabeln. Aber ihre Hand zitterte leicht.
    Maksim holte tief Luft. »Du kannst mich hier nicht festhalten, Felicia«, sagte er. Sie entgegnete nichts. Irgendwo im Haus schlug krachend ein Fenster zu. Eines der Dienstmädchen rief lachend eine Bemerkung durch das Treppenhaus, ein anderes antwortete kichernd. Maksim ballte seine Hand zur Faust, starrte auf seine knochendürren Finger. Er verfluchte seine Schwäche. Das Fieber hatte alle Kraft aus ihm herausgebrannt. Er

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