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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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Sie!«
    Sie rannte noch schneller. Schlamm sickerte in ihre dünnen Stoffschuhe, der Regen schlug ihr ins Gesicht. Nachdem sie das Tor passiert hatte, tauchte sie sogleich ins Dickicht des Waldesein. Ihre Füße versanken im nassen Laub, und die Tannenzweige rissen an ihren Haaren.
    Sie wollte nur fort, nur heim.
    Der Wald wurde dichter, das Vorankommen immerschwieriger. Kat stolperte über Wurzeln und Zweige, blieb mit ihrem Kleid an wuchernden Dornen hängen. Sie war naß bis auf die Haut, vor Kälte schlugen ihre Zähne aufeinander. Immer noch vernahm sie von fern Andreas' Stimme. Von ganzem Herzen hoffte sie, er werde sie nicht einholen. Sie wollte jetzt nicht mit ihm reden.
    Die Bäume traten weiter auseinander. Kat spähte zwischen den Zweigen hindurch, ob sie schon die heimatlichen Mauern sehen konnte. Es schien ihr jetzt, als sei sie falsch gelaufen. Sie blieb stehen und versuchte die Orientierung wiederzufinden. Unmittelbar vor ihr endete der Park, und gleich dahinter standen ein paar kleine, ärmliche Bauernhäuser. Wie ausgestorben schien die öde Siedlung. Kein Mensch ließ sich auf den verschlammten Wegen blicken. Nur ein nasses Huhn stolzierte kopfnickend durch einen Gemüsegarten.
    Kat verschnaufte einen Moment. Hinter ihr knackten Äste. Andreas, in seinem weißen Tennisdreß, das jetzt mit Tannennadeln gespickt war, tauchte aus dem Dickicht auf.
    »Kat!«
    »Nein! Laß mich in Ruhe! Laß mich bloß in Ruhe!« Sie rannte weiter. An einer bröckeligen Mauer hinter einem der Häuser holte Andreas sie ein. Er griff nach ihrem Arm und hielt sie fest. »Kat, hör mir doch zu! Es tut mir leid. Verstehst du, es tut mir leid! Ich hätte eben zu dir halten müssen, aber bitte, verzeih mir! Ich war verwirrt... Ich konnte so schnell nicht... Versteh mich doch, Kat!«
    »Ich bin dir ja nicht böse. Es ist nur so, daß ich fast vergessen hätte, daß unsere Völker im Krieg sind, aber das war falsch. Wir sind im Krieg, und es geht nicht, daß wir...« Sie wollte sichosreißen, aber bei diesem Manöver stolperten sie beide und fielen zu Boden. An der Mauer stand das Gras hoch und war jetzt triefend naß im Regen, aber Kat und Andreas waren selber so naß, daß sie es kaum merkten. Kat rang mit der Hand, die ihren Arm umklammert hielt. Panik überfiel sie, denn plötzlich war Andreas nicht mehr nur der gute Freund, mit dem sie Tennis gespielt und Sommernachmittage vertrödelt hatte. Nun begriff sie, daß er sie begehrte - kein Zug in seinem Gesicht, kein Blick aus seinen Augen schien ihr mehr vertraut. Stumm sah sie ihn an, machte noch eine schwache, kaum überzeugende Bewegung der Abwehr, dann lag sie im Gras, roch nasse Erde, nasses Laub, schmeckte Regen auf ihren Lippen, vernahm das Rauschen eines Baches in der Ferne und sah in geballte Wolken. Sie schloß die Augen und lauschte dem Pochen ihres Herzens.
    Als Andreas sich von ihr löste, sah er blaß aus. Der Regen wusch ihm den Schweiß aus dem Gesicht, seine Lippen zitterten.
    »Wir hätten das nicht tun sollen«, sagte er stockend, »es tut mir leid.«
    Mit einer matten Bewegung wandte Kat den Kopf und sah Andreas an.
    »Ich liebe dich«, sagte sie. Ein paar Minuten lang blieben sie unbeweglich liegen, einer an den anderen gepreßt. Beide hatten sie zum ersten Mal einen Schritt in die Welt getan, die jenseits all dessen lag, was ihnen vertraut war. Was sie erlebt hatten, verwirrte sie, erschreckte und beglückte sie zugleich. Es ist ein Geheimnis, dachte Kat, das nur uns gehört, für immer.
    Langsam nahmen sie wieder den Regen wahr, und das nasse Gras. Sie fröstelten gleichzeitig und mußten darüber unwillkürlich lachen. Andreas stand auf und zog Kat mit sich hoch. Sie blickte an ihrem Kleid hinunter. »Schau dir das Kleid an! Es gehört Felicias Tante Belle! Wie erkläre ich ihr dieGrasflecken und den Schlamm?«
    »Du bist ausgerutscht und hingefallen. Und außerdem kann sie auch die Wahrheit wissen. Jeder kann die Wahrheit wissen. Wir werden heiraten, Kat, so schnell es nur geht!«
    »Meinst du das wirklich?«
    Er nickte. Langsam wurde der Regen schwächer. Fahles Licht sickerte zwischen den Wolken hindurch, Nebelschleier stiegen aus den Tälern. Hand in Hand stapften Kat und Andreas den Weg entlang, vorbei an der Bauernsiedlung. Es roch nach Jauche und nassem Laub.
    »Du solltest nicht mehr allein hier herumlaufen«, sagte Andreas unvermittelt, »es ist nicht ungefährlich.«
    »Warum denn?«
    »Man ist hier nicht gut auf euch zu sprechen. Auf uns alle

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