Sturmzeit
verloren«, sagte eine Schwester, ein junges, hübsches Mädchen, das er unwillkürlich sofort anlächelte, »der Arzt meint, Sie müßten auf Urlaub geschickt werden. Nach Hause.«
»Wie, fort von Ihnen?« Noch während er den Scherz machte, fand er ihn selber albern. Immer das gleiche dumme Gerede, dachte er, wirst du denn nie erwachsen, Alex?
»Ihre Frau wird sich bestimmt freuen«, meinte die Schwester schüchtern.
»Meine Frau? Schönes Kind, wie kommen Sie darauf, ich könnte verheiratet sein?«
»Der Ring an Ihrer Hand...«
»Oh, ja... der Ring...« Alex drehte daran. Er lachte bitter.
»Heim zu meiner Frau. Das wird ein Freudenfest!«
Es war ein warmer Maiabend, als Felicia und Kat nach einer beinahe endlos langen Bahnfahrt staubbedeckt und todmüde in München ankamen. Durch einen Warnstreik der Eisenbahner hatten sie in Würzburg keinen Anschluß und mußten die Nacht in der zugigen Bahnhofshalle verbringen. Erschwert wurde die Situation noch dadurch, daß Kat kein Wort mehr mit ihrer Schwägerin redete. Jeder konnte inzwischen sehen, daß Felicia ein Kind bekommen würde, eine Tatsache, die bei Elsa Fassungslosigkeit und Entsetzen, bei Linda atemloses Staunen und bei Kat blanken Haß ausgelöst hatte. Kat sagte einfach überhaupt nichts mehr und wollte nicht einmal eine Erklärung anhören. Felicia versuchte eine ganze Weile, sie zu besänftigen, dann reichte es ihr, und sie erklärte böse: »Du bist eine richtige Pharisäerin, Kat. Mit Phillip warst du schließlich so gut wie verlobt, und das hat dich keineswegs daran gehindert, ein Verhältnis mit diesem Andreas anzufangen!«
Dies war der einzige Moment, in dem Kat ihr Schweigen gebrochen hatte. Mit flammenden Augen hatte sie gefaucht:
»Erwähne Andreas niemals wieder! Und Phillip auch nicht!
Nimm diese Namen nicht in deinen Mund, denn du bist ein Mensch, der gar nicht weiß, was Liebe ist, und der deshalb nichts versteht!«
Jolanta, die Köchin, brach in Jubelgeschrei aus, als sie Kat erblickte. »Ja, ist das eine Freude! Unser Fräulein Kat ist wieder da! Als das Telegramm aus Berlin kam, hab' ich gesagt: Gott sei Dank, das Kind ist am Leben! Aber der gnädige Herr Vater war ganz böse und hat gesagt: Heim gehört sie, nach München! Warum ist sie in Berlin? Aber nun sind Sie ja da, und alles ist gut!«
Felicia zerrte ihre Koffer aus dem Taxi und ging, schwankend unter der Last, ins Haus. Sie hielt den Kopf hoch erhoben, die Augen geradeaus gerichtet. Sie sah, wie Jolanta den Mund öffnete, dann ihres Leibesumfanges gewahr wurde und den Mund wieder zuklappte. Auf ihrem runden Gesicht dämmerte ganz langsam Begreifen. Aber ehe sie das Ungeheuerliche tatsächlich ganz erfassen konnte, sagte Felicia mit klarer, kühler Stimme: »Guten Tag, Jolanta. Ich möchte auf der Stelle Severin sprechen.«
Severin saß in der Bibliothek in einem Sessel. Neben ihm kauerte Kat und hielt seine Hände. Severin hatte Tränen in den Augen. Er war alt geworden in den letzten zwei Jahren. Der Kummer um Kat, seine Einsamkeit hatten nicht nur ungezählte neue Falten in sein Gesicht gegraben, sie hatten seinen Zügen auch einen guten Teil Bosheit genommen, und diese neue Sanftheit machte ihn greisenhaft.
Felicia wußte, daß sie störte, aber sie hatte nicht die Nerven, taktvoll zu sein. »Severin«, sagte sie, noch in der Tür stehend, »ich muß mit dir sprechen. Sofort.«
Kat sah verstört auf. Severin kniff die Augen zusammen und betrachtete seine Schwiegertochter eindringlich. Ein amüsiertes Lächeln ließ seine Mundwinkel zucken. »Ja«, sagte er, »ich habe den Eindruck, du solltest mit mir sprechen.«
Kat erhob sich. »Ich gehe schlafen«, sagte sie. Severin blickte ihr nach.. »Wo habt ihr Mädels nur eure Träume gelassen?« fragte er. »Eure Züge sind scharf und euer Lächeln ohne Zärtlichkeit!«
Felicia schloß die Tür. »Kats Träume«, sagte sie, »sind in der russischen Revolution untergegangen und stehen im Granatenhagel der Westfront. Und meine... was weiß ich!«
»Du hast es jedenfalls nicht nur beim Träumen belassen!«
Severin kicherte wie in seinen besten Zeiten. »Ich bin gespannt auf Alex' Gesicht.«
»Warum haßt du ihn so?« Felicia zündete sich eine Zigarette an und blies ihrem Schwiegervater provozierend den Rauch ins Gesicht.
»Laß das«, sagte Severin scharf. Er neigte sich vor. »Und du? Warum quälst du ihn so?«
»Ach was! Alex läßt sich nicht quälen. Weder von dir noch von mir.«
»Das ist richtig, Alex ist wie
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