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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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mich quälen sollte. Wolff machte mir ein gutes Angebot. Er wollte die Leitung übernehmen. Für einen gewissen Anteil.«
    »Siebzig Prozent!«
    »Dreißig. Die übrigen vierzig kamen nach und nach dazu. Ich stand oft unter starken Medikamenten. Ich fühlte mich schwach. Mit jedem Anteil, den ich ihm verkaufte, fiel ein Stück der Last von meinen Schultern.«
    »Severin, du hast Kinder! Du hättest an sie denken müssen!«
    »Haben meine Kinder an mich gedacht? Alex vielleicht?«
    »Und Kat?«
    »Kat wird heiraten. Sie bekommt eine große Mitgift, dafür ist gesorgt.«
    »Severin, aber ich...«
    »Mach nicht so große Augen. Du kommst schon durch.«
    »Severin...«
    »Jetzt geh. Laß mich allein. Ich bin krank und muß schlafen. Geh schon! Du solltest nachdenken. Wenn eine Quelle versiegt ist, sollte man nach der nächsten suchen.«
    Nun lag sie also in ihrem Bett und dachte verzweifelt: Der alte Teufel! Das ist seine Rache an Alex, wofür auch immer. Und er genießt sie!
    Es war ihr, als breche eine Brücke unter ihren Füßen zusammen. Sie wollte Alex verlassen und dabei soviel Geld wie möglich mitnehmen, und die einzige Schwierigkeit hatte sie darin gesehen, ihm klarzumachen, daß er ihr das Geld geben mußte. Aber nicht im Traum wäre es ihr eingefallen, Glanz und Reichtum der Lombards seien im Niedergang begriffen. Ein sinkendes Schiff... sie war auf ein sinkendes Schiff gesprungen, dessen Fahne nur noch müde dicht über den Wellen flatterte. Und Lulinn ging ebenso unter. Wieder einmal klangen Alex' Worte in ihren Ohren: »Eine blinde, dekadente Gesellschaft, die auf einem Regenbogen tanzt und nicht merkt, daß das Parkett abschüssig geworden ist.«
    Er hatte recht, dachte sie, ich hätte es wissen müssen, daß er recht hat. Wie sagte Großmutter über meine Augen - keine Sterne mehr. So ist es nämlich. Die Zeit des sternenäugigen Kaiserreiches ist vorbei. Neue Ideen, Revolutionen, und ehe wir's begriffen haben, gehen wir unter.
    In den nächsten Tagen empfing sie zahlreichen Besuch. Der ganze Vaterländische Frauenverein eilte herbei (kein Mensch wußte, woher sie die Neuigkeit von Felicias Rückkehr hatten). Angesichts von Felicias Zustand schlug die Empörung Wellen. Man hätte es ja immer gewußt! Felicia war nie ein Liebling der feinen Gesellschaft gewesen.
    Am meisten ging ihr die gleichaltrige Clarissa, Lydia Stadelgrubers Tochter, auf die Nerven. Clarissa war seit zwei Jahren verheiratet und erwartete ebenfalls ein Baby; wohlig badete sie im Bewußtsein der eigenen Sittsamkeit. Sie konnte Felicia nicht ausstehen, und es gab ja Gerüchte, wonach die Lombards... Nun, man würde sehen. Clarissa rückte ihr biederes Hütchen zurecht und verabschiedete sich hoheitsvoll - sehr zu Felicias Erleichterung. Sie sah hinter ihr her und seufzte. Eine Woche lang empfing sie Besucher um Besucher, und keiner davon interessierte sie, noch nützte er etwas. Keiner von ihnen hatte die letzten Jahre mit ihr geteilt, und alles, was sie von ihnen denken konnte, war: Was wissen die schon!
    Dann schien es vorbei zu sein. Als Jolanta das Zimmer betrat, sah sie sich entnervt um. »Besuch für Sie, gnädige Frau.«
    »Oh, Jolanta, nein! Sag, ich bin nicht da. Ich will heute niemanden sehen.«
    »Das ist aber schade«, sagte Tom Wolff und schob sich an der entrüsteten Haushälterin vorbei ins Zimmer, »wo wir doch jetzt gewissermaßen Geschäftspartner sind.«
    »Tom Wolff!« sagte Felicia. Müdigkeit und Überdruß verflogen, sie wurde wach und gespannt. »Daß Sie sich hierher trauen!«
    »Meine Liebe, ich hielt es für meine Pflicht zu kommen, als ich von Ihrer Rückkehr erfuhr«, sagte Wolff. Er reichte seinen Mantel an Jolanta und scheuchte die alte Frau dann mit einer lässigen Handbewegung aus dem Zimmer. Schwer ließ er sich auf das Sofa fallen, streckte die Beine von sich und legte seine Arme rechts und links von sich lässig über die Lehne. »Wollen Sie mir nichts zu trinken anbieten?« fragte er. »Immerhin gehöre ich jetzt fast zur Familie.«
    »Ich habe Sie nicht eingeladen«, entgegnete Felicia, die demonstrativ stehenblieb und sich eine Zigarette nahm, ohne die Schachtel an den Besucher weiterzureichen.
    »Na, na!« Wolff grinste. »Wir werden miteinander auskommen müssen in der nächsten Zeit. Mir gehören fast drei Viertel der Fabrik. Ob es Ihnen paßt oder nicht, ich werde dieses Haus in Zukunft noch häufig betreten.«
    »Ich denke, es gibt andere Orte, wo sich geschäftliche Dinge abwickeln

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