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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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am meisten draufzahlt. Wir sollten auf diese Leute nicht zu sehr zählen. Lieber auf die Reichen setzen, auf die Kriegsgewinnler, die es danach drängt, mit ihrem Geld zu protzen. Wenn wir saniert sind und die Zeiten besser, werden wir vorsichtig umsteigen.«
    »Wir werden mit teuren Stoffen arbeiten müssen.«
    »Das bringen wir wieder ein. Mir schweben Tageskleider vor und Abendroben, Kostüme, Mäntel, vielleicht auch Badeanzüge und Strandkleider. Wir verwenden Baumwolle, Tweed, Jersey, Seide, Crêpe de Chine, Samt, Brokat und Lamestoffe. Wir sollten versuchten, mit unseren Modellen der Zeit immer einen kleinen Sprung voraus zu sein. Eine Spur auffallender, provokanter sein als andere Hersteller. Leuchtende Farben, ausgefallene Schnitte...«
    »Ich habe schon verstanden«, unterbrach Wolff, »wir werden natürlich gute Modezeichner brauchen.«
    »Darum kümmere ich mich. Es kann kaum schwer sein, genügend Kräfte zu finden.«
    »Nein. Aber teuer.«
    »Es ist wichtig«, sagte Felicia eindringlich, »daß wir beide an einem Strang ziehen.«
    Wolff grinste. »Daß ich diese Worte einmal aus Ihrem Mund hören würde! Die hoch wohlgeborene Felicia Degnelly und der Bauer Tom Wolff, vereint in einem Boot. Ja, das sind die Zeichen der neuen Zeit! Euch da oben ist die Luft zu dünn geworden. Gemessenen Schrittes steigt ihr zur Erde herab.«
    »Soll ich nun all Ihren vielen Worten entnehmen, daß Sie meine Pläne boykottieren oder unterstützen?«
    Wolff tat, als überlege er hin und her. Schließlich erhob er sich, nahm Haltung an und hob die Hand zum militärischen Gruß. »Aye aye, Madam! Ich bin Ihr ergebener Diener und unterstütze Sie bis zum letzten. Mit Rat und Tat - und finanziell!«
    Felicia stand ebenfalls auf. Sie sah Wolff mißtrauisch an.
    »Wieso?« fragte sie.
    »Was?«
    »Ich stehe hier bis an die Zähne bewaffnet, und nun kommen Sie daher und machen mir keine Schwierigkeiten. Ich will wissen, weshalb!«
    »Ach so. Weshalb ich Ihren Todeskampf und den Ihrer Sippe herauszögere? So wie es jetzt steht, wäre es mir ein leichtes, Sie in weniger als acht Wochen abzuschießen, aber was hätte ich davon? Nein, ich stelle Sie erst auf die Beine, und dann fangen wir an. Auge um Auge.«
    »Wen oder was«, fragte Felicia, »hassen Sie so sehr?« Wolff nahm seinen Hut und drückte ihn auf den Kopf. »Ich schlage zurück«, sagte er, »das ist alles. Und im übrigen warte ich auf die Erfüllung meiner Wünsche.«
    »Sie haben tatsächlich noch Wünsche offen?«
    »Einen Wunsch. Den wir alle hegen. Die Liebe!« Er ging zur Tür, öffnete sie. »Ich warte auf Kassandra. Und sie kommt zu mir. Eines Tages, liebe Felicia, sind wir alle eine große Familie.« Er nickte ihr zu. »Einen schönen Tag noch!« Er pfiff wieder laut vor sich hin, als er die Treppe hinablief.

3

    Mascha Iwanowna hatte wenig Freunde in der Partei. Paradoxerweise lag das gerade an ihrem Fleiß, ihrer Konsequenz, ihrer Zuverlässigkeit - und vor allem an ihrer völligen Unbestechlichkeit. Sie war keine Frau, mit der man Geschäfte machen konnte. Jedenfalls keine heimlichen. Und sie war ehrgeizig. So ehrgeizig, daß man sich fragte, wie hoch hinaus sie eigentlich noch wollte.
    Die drei Männer, die an einem warmen Juninachmittag des Jahres 1921 in einer kleinen, düsteren Wohnung in Petrograd zusammensaßen, waren alle Mitglieder des Revisionskomitees der Stadtkonferenz. Sie hatten sich im geheimenzusammengefunden, weil sie ein paar Dinge besprechen wollten, die nicht für jedermanns Ohren bestimmt waren. Dabei kam die Rede schließlich auch auf Mascha.
    »Maria Iwanowna«, sagte der eine nachdenklich. Er spielte mit einem Bleistift zwischen seinen Fingern und sah seine beide Genossen aus zusammengekniffenen Augen an. »Ist sie noch mit Marakow zusammen?«
    »Ja. Mit Marakow, dem großen Zweifler. Er ist nicht ganz ungefährlich. Er stellt unsere Ideen ständig in Frage.«
    »Die Iwanowna tut das nicht. Nie!«
    »Aber sie ist ein Stein, der im Weg liegt.« Der Mann, der mit dem Bleistift gespielt hatte, stand auf und trat ans Fenster. Er blickte hinaus, während er fortfuhr: »Sie hat in diesem Jahr schon einigen Genossen erhebliche Schwierigkeiten gemacht. Sie erträgt es nicht, wenn einer an ihr vorbeizuziehen versucht...«
    Einer der Genossen, ein kleiner, dicker Mann mit buschigen Augenbrauen und einer flachen Nase, grinste verstohlen. Der hier so verbittert über die Iwanowna sprach, hätte ihren Posten einstmals selber gern besetzt. Da er

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