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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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daß Tante Belle wiedererwachte und ihr verschwörerisch zublinzelte.
    »Irgend etwas«, murmelte sie, »stört mich...« Sie grübelte, dann schnippte sie mit den Fingern. »Ich weiß! Meine Haare!
    Seit ich achtzehn wurde, trage ich sie aufgesteckt, und das ist einfach altmodisch. Ich werde sie abschneiden lassen!«
    Die Verkäuferin und Nicola stießen gleichzeitig einen Laut des Entsetzens aus und beteuerten, Felicias Haar sei das schönste, was sie seit langem gesehen hätten, und es sei eine Sünde, auch nur einen Zentimeter abzuschneiden. Aber Felicia scherte sich nicht darum. Beladen mit Tüten und Päckchen strebte sie durch die Straßen dem Friseur zu, gefolgt von einer händeringenden Nicola. »Willst du es dir nicht noch einmal überlegen, Felicia?«
    »Nein«, sagte Felicia und stieß entschlossen die gläserne Schwingtür zu Monsieur Jacques Salon auf.
    Unter Monsieur Jacques rasch und souverän geführter Schere fiel Locke um Locke zu Boden, bis ein ganzer Haarberg nebendem Stuhl aufgetürmt lag. Felicias Gesicht wurde immer blasser, je mehr sich das Werk seiner Vollendung näherte. Sie war das schwere Gewicht und die Wärme ihrer Haare im Nacken gewöhnt; nun fühlte sie sich nackt und kahl und so leicht auf dem Kopf, als sei er losgelöst.
    »Ist das nicht ein bißchen zu kurz?« fragte sie ängstlich. Monsieur Jacques zupfte die Haare sachkundig zurecht. »Im Gegenteil, es ist genau richtig. Sie haben das perfekte Gesicht und die perfekten Haare für einen solchen Schnitt. Zauberhaft, einfach zauberhaft!« Er trat einen Schritt zurück und begutachtete seine Création entzückt. Felicia starrte in den Spiegel. Ihre Haare bedeckten knapp die Ohren und legten sich in dicken, glänzenden Locken um den Kopf. Monsieur Jacques hatte einen Seitenscheitel gezogen und die größte Fülle auf eine Seite gebürstet, die andere Seite war kürzer und glatter. Felicia mußte sich an diese neue Asymmetrie erst gewöhnen. Zaghaft suchte sie Nicolas Gesicht im Spiegel. »Wie... findest du es?«
    Nicola hatte riesengroße Augen bekommen. »Du bist ganz verändert. Eine völlig andere Frau. Es ist... es ist einfach wundervoll!«
    »Sag' ich doch«, bestätigte Monsieur Jacques. »An den Ohren müssen Sie viel Straß tragen oder bunte Federn. Ahhh...«, er betrachtete sie mit zusammengekniffenen Augen, »aus Ihrem Gesicht könnte ich noch viel mehr herausholen. Sie haben einen Ausdruck wie für die Filmleinwand!«
    Felicia lehnte sich ergeben zurück. »Machen Sie. Machen Sie eine Diva aus mir! Ich muß einen Mann in die Knie zwingen, und da darf man nicht knausrig sein.«
    »Er wird auf dem Bauch liegen vor Ihnen«, versicherte Monsieur Jacques. Dann winkte er ein paar Assistentinnen herbei, denn für das, was er jetzt vorhatte, benötigte er mehrere Hände. Als Felicia eine Stunde später wieder in den Spiegel sah, erkannte sie sich kaum wieder.Das Gesicht blaß gepudert, der Mund leuchtendrot geschminkt, die Wimpern zu ungeahnten Längen getuscht, Rouge auf den Wangen, ein nahezu violettes Blau auf den Lidern.
    Außerdem hatte Monsieur Jacques die natürlichen Augenbrauen wegrasiert und durch hauchfeine, in die Höhe gebogene Kohlestriche ersetzt. Er hatte eine Frau geschaffen, die in jedem Detail dem Ideal ihrer Zeit entsprach - künstlich, elegant, raffiniert und undurchsichtig. Felicia verzog ihren allzu roten Mund zu einem Lächeln, als sie sich an die frischen, unschuldigen Mädchengesichter aus Vorkriegstagen erinnerte. Eine Sekunde dachte sie an ihre Mutter und Benjamin und daran, was beide sagen würden, könnten sie sie jetzt sehen, dann hob sie den Kopf und hatte sich bereits in ihre eigene Erscheinung verliebt. Und wenn sich ganz München das Maul über sie zerreißen würde, eines wußte sie - Alex hätte sie phantastisch gefunden.
    München zerriß sich das Maul, zumindest die Gäste auf Wolffs Frühlingsball. Wolff hatte bei der Ausstattung des Festsaales geprotzt, daß einem übel werden konnte; außerdem trat eine Jazzkapelle auf und eine fette Sängerin, die eine Zigarettenspitze zwischen den Fingern hielt und eine ellenlange Federboa schwenkte. Trotzdem hatte der Ball dank seiner Teilnehmer einen eher konservativen Charakter. Da waren die Breitenmeisters, die Stadelgrubers, die Carvellis, Auguste und Lydia im Reinseidenen, eine recht feiste Clarissa, die ihren schüchternen Mann hinter sich herzerrte. Die alte Garde war vollzählig angetreten, offenbar entschlossen, ihre einstige Ablehnung Wolffs

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