Sturmzeit
ruinieren, und jetzt hat er es möglicherweise geschafft, nur weil du...«
»Ich hatte Angst, du würdest sofort nach München zurückfahren, wenn du diese Telegramme liest.«
»Und ob ich das getan hätte. Natürlich!«
»Eben«, sagte Benjamin still, »davor habe ich mich gefürchtet.«
»Du hättest wissen müssen, daß ich sowieso irgendwann zurückgehen würde. Du kannst mich nicht ewig halten. Wir hatten immer nur befristete Zeit.«
»Wozu brauchst du diese Fabrik? Ich kann und kann es nicht begreifen. Du hast alles, was du brauchst, ein Haus, Land, Geld. Wozu dieser Kampf um immer mehr und mehr?«
»Ich lasse mir nicht entreißen, was mir einmal gehört hat. Und außerdem soll Alex mal sehen, daß ich es allein schaffe und daß ich von allen Menschen der Welt am wenigsten ihn brauche!«
Benjamin wurde fast grau im Gesicht. »Alex Lombard! Daßdu an den überhaupt noch denkst!«
Felicia war zu wütend, um noch vorsichtig zu sein. »Jawohl, ich denke noch an ihn! Wir haben uns fast zu Tode gestritten, aber das ist immer noch besser, als sich zu Tode zu langweilen!
Und eines kann ich dir sagen: Einen so gemeinen und hinterhältigen Betrug wie du hätte er nie begangen. Er hätte mir laut und offen gesagt, was er will und was nicht, und vielleicht hätte er meine Zimmertür verriegelt, und ich hätte mich bei Nacht an einem Seil aus dem Fenster lassen müssen, aber er wäre nicht im Traum darauf gekommen, meine Post abzufangen und zu verbrennen. Und da wir gerade bei deinen Methoden sind- es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn du dafür gesorgt hättest, daß unsere Telefonverbindungzusammengebrochen ist, denn das fügte sich ja wohl nur allzu gut in deine Pläne!«
»Nein, nein, nein, das stimmt nicht! Ich...«
»Du hast jedenfalls verdammt viele Ausreden gefunden, um die Reparatur immer wieder hinauszuschieben. Ich glaube, wenn du könntest, du würdest mich auf einen einsamen Stern verbannen!«
»Ich liebe dich, Felicia...«
Stunde um Stunde ging es so. Felicia, die wußte, daß erst am nächsten Morgen wieder ein Zug ging und daß sie vor übermorgen nicht in München sein konnte, meinte, ihre Nerven müßten zerreißen. Zum Schluß hatte sie einen trockenen Mund und zittrige Hände, und Benjamin sah aus wie ein Geist und war den Tränen nahe.
»Ich kann jetzt nicht mehr«, sagte Felicia erschöpft, »und außerdem muß ich packen.«
»Wirst du zurückkommen?«
»O Gott, frag mich das jetzt nicht! Ich habe keine Ahnung. Ich muß sehen, was ich von all den Scherben noch zusammensetzen kann.«
Benjamin wandte sich um und trat ans Fenster. Draußen rauschte der Wind in den Bäumen, hin und wieder tauchte der Mond hinter vorüberziehenden Wolken auf. »Wir beide hätten nicht heiraten sollen«, sagte er leise, »ich habe dich nicht glücklich gemacht.«
Felicia erwiderte nichts darauf, sondern öffnete den Schrank und fing an, mit unbeherrschten Bewegungen ihre Kleider hervorzuzerren und auf ihr Bett zu werfen. Später erst begriff sie, daß dies der Moment war, in dem auch ihre zweite Ehe endgültig scheiterte.
6
Auf ihrem Schreibtisch in München erwartete Felicia eine Einladung zum Frühlingsball bei Tom Wolff. Offenbar hatte er erfahren, daß Kat gefahren war, um sie zu holen, denn in die unterste Ecke hatte er mit seiner kritzeligen Handschrift geschrieben: »Schön, daß Sie rechtzeitig wieder in München sein werden! Ich hoffe, ich darf Sie als meinen Ehrengast begrüßen!«
»Da hat er sich geschnitten!« rief Felicia und knäulte die Einladung zusammen. »Ich ginge nicht hin, und wenn es der letzte Ball meines Lebens wäre!«
Neben der Einladung lagen säuberlich aufgereiht Schriftstücke, Akten und Formulare, die haarklein Auskunft über Wolffs Aktivitäten während der vergangenen Wochen gaben. Felicia saß eine Nacht lang darüber und entschlüsselte die ausgeklügelten Schachzüge ihres Gegners, dann stürzte sie zum Telefon. Es war sieben Uhr in der Frühe. In der Halle traf sie Nicola, die, um ihre Versetzung bangend, neuerdings pünktlich zur Schule ging. Sie probierte gerade ihren neuen Matrosenhut vor dem Spiegel aus, zerrte ihn aber gleich wieder vom Kopf und warf ihn auf den Boden. Ihre Augen waren verweint.
»Morgen, Nicola«, sagte Felicia zerstreut und nahm den Telefonhörer ab. Während sie darauf wartete, vom Amt mit Wolff verbunden zu werden, musterte sie ihre Cousine aufmerksamer. »Ist alles in Ordnung? Du hast so rote Augen!
Und warum willst du den
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