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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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und ihr blondes Haar glänzte im Schein der einzigen Lampe, die sie eingeschaltet hatte. Ein schönes, verspieltes Kind... Sie hatte seinen Blick bemerkt und drehte sich um. »Was schaust du mich so an?«
    Er lächelte. »Das weißt du doch, oder?«
    Sie kam auf ihn zu, reichte ihm das Glas.
    »Du bist ein bißchen still heute abend, Alex. Schon die ganze Zeit.«
    Alex entgegnete nichts, sondern trank nur etwas zu schnell seinen Martini. Er und Patty waren bei einer Party im Village gewesen; eines der üblichen Feste mit Champagner, Musik und oberflächlichem Geplaudere. Natürlich sprach man auch von der Wallstreet - und von den Opfern des großen Crash. Der schwarze Freitag hatte die Reihen der New Yorker Schickeria gelichtet. Leute, die sonst bei keiner Party fehlten, waren diesmal nicht erschienen.
    »Sam irgendwo gesehen?« fragte einer, und ein anderer antwortete: »Weißt du's nicht? Sams Millionen sind futsch. Wahrscheinlich überlegt er sich gerade, ob er sich eine Kugel in den Kopf jagt oder bei Nacht und Nebel ins Ausland emigriert!«
    Wieder ein anderer plapperte: »Mein Gott, die arme Maggie Sullivan! Was hat sie sich immer eingebildet auf ihre Pelze, ihren Schmuck und ihren reichen Mann! Jetzt trägt sie ihre Kleider ins Pfandhaus, und beim Friseur sieht man sie auch nicht mehr - jedenfalls nicht bei ihrem teuren in der Fifth Avenue!«
    Von allen Seiten her wehten diese Gesprächsfetzen. Alex konnte nicht umhin, sie aufzuschnappen. Der Champagner schmeckte plötzlich schal, die leeren Gesichter ringsum ödeten ihn an. Armselige Bande, dachte er, bloß immer High life, immer die besten Freunde, aber wehe dem, der bei euch nicht mehr mithalten kann! Den laßt ihr schneller fallen als die berühmte heiße Kartoffel!
    Über zehn Jahre lang hatte er mit diesen Leuten gelebt, gefeiert, getrunken und gelacht. Auf einmal war er ihrer überdrüssig. So überdrüssig, daß er nichts dagegen gehabt hätte, wenn sie alle miteinander in den Hudson gesprungen und nie wieder aufgetaucht wären.
    »Woran denkst du denn?« fragte Patty. Sie hatte das Grammophon angestellt. Ein leises, trauriges Liebeslied klang durchs Zimmer. Sie legte beide Arme um seinen Hals. »Wollen wir nach oben gehen?«
    Alex stellte sein Glas ab. Seine Hände blieben auf Pattys Körper liegen. Durch die Seide hindurch konnte er fühlen, daß ihre Haut warm, weich und glatt sein mußte. Halb naiv, halb provozierend schmiegte sie sich an ihn. Sie hob den Kopf, öffnete die Lippen, und Alex berührte sanft, was sich ihm willig darbot, preßte seinen Mund dann heftiger auf ihren, liebkoste ihn, bis sich Patty willenlos an ihn drängte, schamlos darum bemüht, ihrer beider intimste Zonen in Berührung zu bringen. Das Spiel seiner Lippen wurde sachter, er löste sich von ihr, ließ seine Hände aber auf ihr liegen. Patty sah ihn aus weit aufgerissenen, entzückten Augen an. »Oh, Alex, das war...«
    Er neigte sich vor und küßte sie noch einmal, nur flüchtig, wie zum Abschied. Es tat ihm leid, was geschehen war, denn für ihn hatte eine gewisse Routine darin gelegen, während Patty völlig aufgewühlt und halb von Sinnen schien.
    »Komm mit nach oben«, sagte sie noch einmal. Alex ließ sie los und griff nach seinem Martiniglas. »Ich glaube nicht, daß das deinem Dad recht wäre.«
    »Er ist nicht hier.«
    »Trotzdem, oder gerade deshalb, hätte er etwas dagegen.«
    »Ach!« Patty funkelte ihn wütend an. »Ich bin doch kein Kind mehr! Aber ich werde noch eine alte Jungfer, weil jeder lumpige Feigling von einem Mann immer glaubt, mein Dad könnte etwas dagegen haben!«
    »Patty, Darling, unter gewissen Umständen wäre mir dein Vater egal, aber wie die Dinge liegen... sieh mal«, er formulierte behutsam, »heute abend hat sich etwas in mir geändert. Ich habe einen Entschluß gefaßt... ich werde Amerika verlassen. Ich gehe zurück nach Europa.«
    »Was?«
    »Ich habe ein dummes, sentimentales Heimweh, und das schon seit einiger Zeit. Ich möchte Deutschland wiedersehen, meine Familie, was immer von ihr noch übrig ist...«
    »Eine Frau wohl auch, was?« fauchte Patty.
    Er wollte ihre Hand ergreifen, aber sie entriß sie ihm und rannte aus dem Zimmer. Er hörte ihre heftigen Schritte auf der Treppe. Nach einem Moment des Zögerns folgte er ihr und fand sie quer über ihrem Bett liegend. Die Szene war filmreif, und sicher imitierte Patty die heißblütigen Stars, die man täglich in den Kinos sehen konnte. Über ihr wölbte sich ein gelbseidener,

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