Sturmzeit
Züge etwas Verschwommenes. Er wirkte ausgesprochen unsympathisch. Nicola, seit drei Monaten seine Frau und seit vier Wochen Mutter einer Tochter, nahm seine Hand. »Es geht schon weiter«, tröstete sie. Sergej entriß ihr unbeherrscht seine Hand. »Rede nicht solchen Unsinn!« fuhr er sie an. »Du verstehst überhaupt nichts davon!«
»Aber, Sergej, ich...«
»Halt bloß deinen Mund! Ich weiß nicht, woher ich das Geld nehmen soll, dich und dein Baby satt zu kriegen, und du stellst dich hin und faselst, anstatt mir zu helfen!«
»Anastasia ist auch dein Baby«, entgegnete Nicola verletzt, und Elsa, wie um die Situation noch schlimmer zu machen,fügte vorwurfsvoll hinzu: »Warum mußtest du auch an der Börse spekulieren, Sergej? Dabei kommt nie etwas Gutes heraus!«
Es war Sergej anzusehen, daß er sich nur mühsam beherrschte. »Wenn ihr aufhören würdet zu quengeln, könnten wir vielleicht darüber nachdenken, was ich jetzt tun soll. Ich glaube, ihr habt gar keine Ahnung, was da draußen passiert. Die Welt geht unter, versteht ihr? Und ich stecke bis zum Hals in der Scheiße!«
»Und wenn wir doch Felicia fragen...«, meinte Nicola schüchtern. Sergej ließ sich mit einer theatralischen Bewegung in den nächsten Sessel fallen. »O Gott, o Gott, du bist so etwas von ahnungslos! Unsere liebe Felicia geht genauso den Bach runter, aber schneller, als du schauen kannst! Wenn du einmal dein Näschen in etwas anderes stecken würdest als in Modejournale, zum Beispiel in eine Zeitung, dann würdest du wissen, daß Wolff & Lavergne vor der totalen Pleite steht. Mit denen ist es aus, erledigt, finito! Felicia kann sich ja als Würstchenverkäuferin versuchen, oder als Putzfrau, jedenfalls...«
»Das reicht, Sergej!« Elsas zusammengesunkene Gestalt straffte sich. »In meiner Anwesenheit spricht niemand in diesem Ton von meiner Tochter!«
»Entschuldigung«, knurrte Sergej. Er sah die beiden Frauen haßerfüllt an.
»Tante Elsa, was sollen wir nur tun?« fragte Nicola kläglich. Elsas Augen waren groß, rund und ratlos. »Ach Kind, ich weiß nicht. Vielleicht kannst du irgendeine Arbeit annehmen?«
»Das ist ein hervorragender Gedanke«, warf Sergej ein, »es fragt sich bloß, auf welchem Gebiet Madames Begabungen liegen. Irgendwelche hervorstechenden Fähigkeiten habe ich jedenfalls noch nicht bemerkt.«
»Du bist so gemein!« Nicola brach in Tränen aus. »Früher hast du auch nicht gefragt, ob ich so schlau bin wie du oder nicht. Aber jetzt...« Sie angelte nach einem Taschentuch. Elsa legte tröstend den Arm um sie. »Du bist sehr gescheit, Nicola. Du hast nur ein bißchen zu gut gelebt. Komm, jetzt trinken wir erst einmal Kaffee, und... was ist denn?« Sie sah, daß Sergej Nicola ein paar heftige Zeichen machte.
»Ja«, sagte Nicola zögernd, »wir wollten nämlich noch etwas fragen, Tante Elsa. Es ist... sieh mal, Sergej wird seine Wohnung nicht halten können, und wir wollten fragen, ob wir drei, Sergej, ich und Anastasia, ob wir für einige Zeit bei dir wohnen könnten... umsonst...«
»Wir sind eine Familie, Nicola. Natürlich könnt ihr hier wohnen. Und satt werden wir schon auch noch alle. Im Hintergrund haben wir schließlich noch Lulinn.«
Nicola umarmte ihre Tante. In Sergejs Augen jedoch glomm ein boshafter Funken. Es hatte ihn tief gedemütigt, bei Elsa um Hilfe bitten zu müssen, und er spürte das dringende Bedürfnis, sich umgehend zu rächen.
»Seid mal nicht zu sicher, was euer Lulinn angeht«, sagte er,»ihr habt wohl noch nichts davon gehört, wie? In Geschäftskreisen erzählt man sich, Felicia Lavergne habe in weit größerem Maße an der Börse spekuliert, als es irgend jemand ahnt. Tatsache ist, sie hat Lulinn bis unters Dach belastet. Also«, Sergej sprang lässig auf die Füße, er fühlte sich schon viel besser, »also, wenn ihr nicht bald etwas einfällt, dann pfändet die Bank jedes Gänseblümchen, das dem fruchtbaren Boden eures Herrensitzes entsprießt, darauf könnt ihr Gift nehmen!«
»Möchtest du noch mit hereinkommen?« fragte Patty an der Haustür. Sie lächelte einladend. »Mein Vater ist nicht da«, fügte sie hinzu. Alex zögerte einen Moment, dann folgte er ihr. Patty ließ ihren Mantel einfach auf den Boden fallen und liefsummend ins Wohnzimmer. »Was möchtest du trinken?« rief sie.
Alex blieb in der Tür stehen. »Einen Martini, bitte.«
Er beobachtete sie, während sie hinter der Bar hantierte. Sie trug ein leichtes Kleid aus eierschalenfarbener Spitze,
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