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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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meinte er. »Wir sollten jetzt telefonisch erreichbar sein.«
    Callaghan nickte gutmütig. Während des Heimweges summte er leise vor sich hin.
    Als sie das Haus betraten, kam ihnen eine aufgeregte Sekretärin entgegen. »Mr. Callaghan, ein Gespräch für Sie aus San Francisco. Der Manager Ihres Starhotels!«
    Callaghan ging an den Apparat. Eine Weile hörte er mit gefurchter Stirn zu, dann brummte er: »Ja, furchtbar, aber ich kann auch nichts machen. Sehen Sie zu, daß sich so etwas nicht wiederholt. Schauen Sie sich die neuen Gäste sehr genau an, und Verdächtigen geben Sie ein Zimmer im ersten Stock. Höchstens!«
    Er hängte ein und wandte sich an Patty und Alex. »Es geht los. Jetzt geht es richtig los. Drei Gäste haben sich Appartements im zwölften Stock unseres Hotels gemietet, nur um sich hinabzustürzen. Andere Hotels melden die gleichen Vorkommnisse. Makaber, nicht? Diese finanziellen Bruchpiloten legen ihr letztes Geld im Selbstmord an.«
    »Um Gottes willen, Mann, sind Sie wahnsinnig?« brüllte Tom Wolff in den Telefonhörer. Er war kreidebleich, seine Lippen zitterten, am ganzen Körper brach ihm der Schweiß aus. Den ganzen Tag über hatte er versucht, Phillip Rath in Berlin zu erreichen, ohne vom Amt eine andere Auskunft zu bekommen als die stereotype Behauptung: »Tut mir leid, die Leitung ist besetzt.«
    Wolff hatte gebrüllt wie ein Stier, war im Zimmer herumgetobt, hatte einen Schnaps nach dem anderen hinuntergekippt und seine Sekretärin so wüst beschimpft, daß sie weinend fristlos kündigte.
    Es wurde fast halb sieben, bis er durchkam. Und er war mit seinen Nerven am Ende. »Was heißt das, die Banken wollen umgehend ihr Geld zurück? Ich habe kein Geld. Ich habe nur meine belastete Firma und...« Er lauschte, während seine Finger feucht wurden und das Herzklopfen seinen Atem in ein stoßweises Keuchen verwandelte. »Pfänden? Was heißt das?
    Will man mich ruinieren? Ich werde nicht zulassen, daß...«
    Seine Stimme brach. Vor seinen Augen flimmerte es. Hilfesuchend sah er sich nach einem Stuhl um. Er mußte sich setzen.
    »Gnade Ihnen Gott, Phillip! Gnade Ihnen Gott, wenn Sie mich aus dieser Sache nicht rausholen! Sie haben das zu verantworten, und Sie werden den Karren aus dem Dreck ziehen, hören Sie. Sie werden das in Ordnung bringen, oder Sie sind nicht mehr als versoffener Dreck, verstehen Sie mich, versoffener Dreck sind Sie, ein korrupter Verbrecher, der es mir nie verziehen hat, daß ich ihm eine Frau weggeschnappt habe, so verrottet wie Müll, Abfall, geistiger Abschaum...«
    »Pip, pip, pip«, klang es aus dem Telefon. Wolff begriff erst nach einer Weile, daß das Gespräch beendet war. Er ließ den Hörer fallen, der ein paar Mal wild an seinem Draht herumhüpfte und schließlich langsam auspendelte. Er schwankte zu einem Sessel, fiel schwer hinein, schnappte nach Luft. Neben ihm auf dem Boden lag zerknäult sein Jackett; aus einer Seitentasche fischte er das Röhrchen mit seinen Herztabletten.
    »Sie haben Übergewicht und Bluthochdruck«, hatte ihm der Arzt gesagt, »vermeiden Sie Aufregungen jeder Art. Sie sind in einem Alter, da soll man nicht leichtsinnig sein.«
    Vermeiden Sie Aufregungen! O der ahnungslose Engel!
    Wolff nahm eine Tablette in den Mund, schluckte sie ohne Wasser. Sein Atem ging noch immer schwer. Er sah sich in seinem Arbeitszimmer um - all die protzigen Möbel, die eichenholzgetäfelten Wände, die Perserbrücken auf dem Fußboden, die alten Kupferstiche hinter dem Schreibtisch, Symbole seines Erfolges, seines Reichtums, seiner Energie und seines schrankenlosen Selbstvertrauens.
    Es war auf einmal so still. Wie ausgestorben. Das leise Piepen aus dem Telefon machte die Stille erst deutlich. Und das Ticken der Standuhr. Die Zeit lief ab.

    »Es ist nicht wahr«, sagte Felicia, »es ist nicht wahr.« Ihre Lippen formten diese Worte immer wieder, beschwörend, eindringlich, fiebernd... Das Cognacglas, das sie in der Hand hielt, entglitt ihr und zerbrach klirrend auf dem Fußboden. Sie sah die Scherben mit einem Blick an, als seien sie das einzig Faßbare in einer Welt, die sich zu schnell drehte, deren Schicksalsläufe zu unerwartet kamen.
    »Es tut mir leid... ich bin so ungeschickt heute...« Sie kauerte nieder, um die Scherben aufzusammeln.
    »Laß das doch«, sagte Phillip. Seine Stimme klang heiser.
    »Bitte, Felicia, das wird morgen die Putzfrau machen.«
    Sie stieß einen leisen Jammerlaut aus. Vom Mittelfinger ihrer rechten Hand tropfte

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