Sturmzeit
hier?« fragte sie. Alex hob die Augenbrauen. »Ich liebe es. Monas Etablissement ist viel zu viel Plüsch und viel zu viel Kristall. Ein einziger fetter Zynismus.«
»Warum lieben Sie Zynismus?«
»Nun, er ist der Versuch, die Verlogenheit zu entlarven, nicht?«
»Ich finde Plüsch und Glas sind selber verlogen. Sie imitieren etwas, wovon sie weit entfernt sind.«
»Sie haben ja recht, Felicia. Bloß - wenn etwas so offensichtlich lügt wie Monas Etablissement, dann sagt es schon wieder die Wahrheit. Kommen Sie, nehmen Sie meine Hand und bleiben Sie dicht bei mir. Sie sind zu hübsch, als daß ich Sie hier allein herumlaufen lassen könnte.«
Ein unbeschreibliches Geschrei, Gequalme und Getöse empfing sie.
In dem engen Raum saßen an die hundert Menschen, auf Stühlen, Bänken und teilweise auch auf den Tischen. Sie rauchten, tranken und unterhielten sich lautstark. Hin und wieder lachte jemand schrill, oder eine Frau schrie kreischend auf. Felicia erblickte ärmliche Gestalten und solche, die aus besseren Verhältnissen stammen mußten. Hier und da blitzte teurer Schmuck auf, saßen Herren in reinseidenen Westen zwischen spärlich bekleideten Mädchen.
Ein Soldat, dessen ganze rechte Gesichtshälfte unter einem Verband verschwand, hämmerte auf dem Klavier herum und brüllte ein gefühlvolles Lied dazu.
»Dem haben sie in Frankreich die Ohren zerschossen«, erklärte eine aufgetakelte Blondine gerade einem Gast,»unglücklicherweise war er vorher Komponist. Für den ist dasLeben gelaufen.«
»Der Krieg dauert jetzt nicht mehr lange!«
»Ehe das Herbstlaub fällt, ist er aus, das sagen alle.«
»Ob das Laub so lange wartet?«
»Komm, wir haben Hindenburg! Wir sind unschlagbar!«
»Noch ein Wort vom Krieg, und ich laß den Scheißladen hier in die Luft gehen.« Alle lachten. Der Mann am Klavier spielte einen schrillen mißtönenden Akkord. Eine üppige Brünette trat an Alex und Felicia heran. »Alex, warum hast du mir die bisher unterschlagen?« rief sie und hängte sich an seinen Arm.
»Wo hast du das bezaubernde Püppchen her? Eine Haut wie weißes Porzellan, Wangen rosig wie der Morgenhimmel. Aber meinst du nicht, daß sie zu unschuldig ist, um sie hierher zu bringen?«
»Sie ist sicherlich unschuldiger als du, Mona,« entgegnete Alex und küßte die Fremde auf beide Wangen,« aber darum bin ich ja auch bei ihr und paß auf sie auf.«
Mona schüttete sich aus vor Lachen. »Du paßt auf sie auf?
Das ist ungefähr so, wie wenn man den Wolf das Schaf hüten läßt. Kindchen, ich fürchte, ich werde Sie in meine starken Arme nehmen müssen. Alex hat eine Vorliebe für so junge Geschöpfe. Sagen Sie, weiß Ihre Mutter, daß Sie mit ihm ausgehen?«
Auf Alex' Gesicht trat ein verärgerter Ausdruck. »Ihre Mutter kennt mich selbstverständlich«, entgegnete er kurz, »und nun hast du einen Tisch für uns?«
Mona lächelte anzüglich. »Sag nur nicht, es ist ernst diesmal!
Natürlich habe ich einen Tisch für dich - und für die Kleine!«
Sie ging voran zu einem kleinen Tisch, der ein wenig abseits in einer Nische stand. Hier war es düster; eine einzige Kerze flackerte, und von den rotverhangenen Lampen des übrigen Raumes strahlte kaum Licht herüber. Alex rückte Felicias Stuhlzurecht, dann nahm er ihr gegenüber Platz. »Was möchten Sie trinken, Felicia? Einen Whisky auf Eis?«
Felicia mochte nicht zugeben, daß sie in ihrem ganzen Leben noch keinen Whisky getrunken hatte und nickte gleichgültig.
»Ja, das ist gut. Einen Whisky.«
Gleichzeitig dachte sie, daß Alex Lombard sich tatsächlich sehr von allen Männern unterschied, die sie bislang gekannt hatte. Keiner von ihnen hätte sie in ein solches Lokal geführt und ihr ohne mit der Wimper zu zucken ein Glas Whisky bestellt. Sie dachte an Benjamin, wie er ihr den Antrag gemacht hatte, und an seine Augen, in denen sein Innerstes bloßgelegen hatte. Lombards Augen gaben kein Geheimnis preis. Um ihrer Verwirrung Herr zu werden, fragte Felicia herausfordernd:
»Warum sind Sie eigentlich nicht bei den Soldaten, Herr Lombard?«
Alex schwenkte den Whisky in seinem Glas. «Ich bin Hauptmann der Reserve«, erwiderte er, »aber Sie wissen, wir haben eine Textilfabrik in München, und natürlich produzieren wir jetzt auf Hochtouren - Uniformen vor allem. Ich wollte an die Front, aber sie wiesen mich ab mit der Begründung, daß die deutsche Industrie jetzt nicht an allen Ecken und Enden zusammenbrechen dürfe.«
»Sie wollten in den Krieg? Sind
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