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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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Sommerkleid angezogen, sich die Haare gekämmt, Parfüm an Hals und Armen verteilt... Statt dessen...
    Seufzend schlüpfte sie aus ihren Schuhen. Ihre Füße waren voller Blasen.
    Benny, der rothaarige, sommersprossige Pfleger aus Innsbruck, der im Lazarett als Mädchen für alles galt und sehr beliebt war, trat an sie heran. Er rauchte eine Zigarette - eine begehrte Kostbarkeit im Lager.
    »Hallo, Benny«, sagte Felicia, »gibst du mir einen Zug ab?«
    »Wie Madame befehlen«, erwiderte Benny. Verstohlen tat sie ein paar Züge. Es war den Schwestern verboten zu rauchen, aber Felicia mußte oft an die Worte ihrer Großmutter denken: »Es gibt ein paar Situationen im Leben, die lassen sich nur mit Schnaps und Zigaretten überstehen.«
    »Ich hab' was gehört«, sagte Benny leise. Er sah sich vorsichtig um und trat noch einen Schritt näher an Felicia heran.
    -»Könnte sein, daß uns ein russischer Großangriff bevorsteht. Kann 'ne schlimme Sache werden.«
    »Ach, das ist doch nur Gerede«, sagte Felicia gelangweilt,
    »du kommst jede Woche mit so einem Gerücht!«
    »Diesmal habe ich es aus verläßlicher Quelle.«
    »Na gut. Dann wird es wieder einen ganzen Haufen Verwundeter geben, und wir werden die Nächte durcharbeiten. Oh, du glaubst nicht, wie satt ich es habe!«
    Benny warf den Zigarettenstummel zur Erde und trat ihn aus. Sein rundes, lustiges Gesicht blickte bekümmert drein.
    »Vielleicht gibt's eine Möglichkeit für dich, hier wegzukommen, Felicia. Ich weiß nämlich noch was: Übermorgen geht ein Verwundetentransport von hier ab. Nach Wien.«
    »Oh...«
    »Weißt du, wer der begleitende Arzt ist? Dein Vater!«
    »Papa? Ach, Gott sei Dank! Dann kommt er endlich einmal weg von diesem schrecklichen Lazarett. Er ist völlig überarbeitet.«
    »Sie schicken ihn anschließend für drei Wochen auf Urlaub. Ich hörte, wie sie darüber redeten. ›Schickt Degnelly auf Urlaub, ehe er uns hier zusammenklappt, sagten sie. Die Schwestern, die mitfahren sollen, stehen übrigens noch nicht fest.«
    Felicias Interesse erwachte. »Ach, du meinst...«
    »Du solltest schneller sein als die anderen. Ein Ausflug in die Heimat wäre nicht schlecht, oder?«
    »Nicht schlecht? Es wäre das Beste, was mir passieren könnte! Vielleicht springen zwei oder drei freie Tage dabei raus!
    Oh, Benny, ich sehne mich so sehr nach etwas Abwechslung. Manchmal denke ich, mein ganzes Leben wird sich nur noch zwischen verletzten, sterbenden Menschen und scharfzüngigen Oberschwestern abspielen. Und dann die Hitze, der Staub und die Fliegen...«
    »Warum«, fragte Benny, »bist du Schwester geworden?«
    »Weil ich... weil... ach, das ist eine komplizierte Geschichte.«
    Sie stieg wieder in ihre Schuhe. »Danke für den Tip, Benny. Ich werde mich gleich darum kümmern.«
    »Solltest du machen. Und denk an den russischen Angriff! Ist vielleicht besser, dann nicht mehr hier zu sein!«
    Sie lächelte. Benny und seine Orakelsprüche. Er liebte es, mit seinen düsteren Prophezeiungen das ganze Lager in Aufregung zu versetzen.
    Eine Viertelstunde später war alles geklärt. Oberschwester Paula hatte Felicia scharf angesehen und gesagt: »Möchte wissen, wie Ihnen so etwas immer gelingt, Frau Lombard!«
    Aber sie gab ihre Einwilligung. Felicia fragte auch gleich für Kat.
    »Kassandra Lombard? Die geht mit. Und sie kriegt auch gleich drei Wochen Urlaub. Ist hypernervös, das arme Ding!«
    »Bekomme ich keinen Urlaub?«
    Die Oberschwester schnaubte. »Sie? Wofür? Machen Sie denn je etwas anderes als Urlaub?«

    »Nehmen Sie jetzt Ihren Tee, gnädige Frau, oder warten Sie auf Herrn Lombard?«
    Linda zuckte zusammen. In der Tür stand Fanny und sah sie abwartend an. »Wie spät ist es denn, Fanny?«
    »Schon nach fünf Uhr. Herr Lombard ist noch nicht daheim!«
    »Dann bringen Sie mir meinen Tee jetzt schon, bitte.« Linda erhob sich von dem Seidenkissen, auf dem sie gekauert und mit ihrem Sohn gespielt hatte. Paul - sie hatte ihn Paul genannt, nach Paul von Hindenburg - Paul war jetzt schon zehn Monate alt. Meist krabbelte er, aber manchmal versuchte er schon zu stehen. Mit tapsigen Händen griff er nach seiner Mutter und lachte dabei. Er hatte weiches, blondes Haar und runde blaue Augen.
    Linda setzte sich an den Tisch vor dem Kamin. Fanny stellte das Tablett mit Tee und Plätzchen vor sie hin. Die Plätzchen sahen grau aus. Wie aus Wasser und Staub gebacken, dachte Linda. Sie lehnte sich zurück und trank den Tee in kleinen Schlucken.
    Sie war gerade

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