Sturz Der Engel
einige Söhne geben.«
»Als Zuchthengste«, sagte Nylan bitter.
»Früher oder später müssen wir auch Einheimische hereinholen, aber erst wenn wir unseren Genpool stark genug erweitert haben und die Mädchen auf die richtige Weise erzogen worden sind.«
»Ein weibliches Utopia.«
»Du weißt doch, wie dieser Planet aussieht. Jungen sind empfindlicher als Mädchen, deshalb werden in Krisenzeiten mehr Jungen geboren. Wenn du diese beiden Faktoren zusammennimmst, musst du damit rechnen, dass alle unsere Töchter mit fünfzehn bis höchstens zwanzig Jahren schwanger sind. Nein, danke. So nicht.«
Nylan konnte sehen, wie sich draußen am nördlichen Horizont, knapp über dem Gipfel, dunkle Wolken zusammenballten. »Du hättest es mir aber auch sagen können, statt mich im Dunkeln zu lassen.«
»Ich wollte kein Risiko eingehen.« Ryba sah zur Wiege. »Es ist nicht deinetwegen. Du bist ja im Grunde ein sanfter Mann … aber … ich weiß, was möglich ist und was nicht und hier steht zu viel auf dem Spiel. Soll ich es dir sagen, obwohl ich weiß, dass ich eine kluge, begabte Tochter bekommen kann, wenn ich es dir nicht sage? Oder dass … nein, nicht einmal jetzt wage ich, dir alles zu sagen.« Sie schüttelte hilflos den Kopf. »Ich weiß selbst gerade genug.«
»Du bist eine Gefangene deiner Visionen. Das Leben läuft aber nicht immer in den Bahnen, die du als die besten erkannt hast. Kannst du es nicht wagen, es besser zu machen?«
»Ich habe es ja versucht«, antwortete Ryba müde. »Deshalb sind drei Wächterinnen tot. Ich habe mich viel brutaler gesehen, als ich es bei Mran tatsächlich war, und diesem Bild wollte ich nicht folgen. Nach Frelitas Tod war es nicht ganz so schlimm, aber ich hätte härter sein sollen, denn die Wächterinnen sind nur deshalb gestorben, weil sie achtlos waren und weil die Leute nur auf Gewalt reagieren. Meinst du, ich hätte es nicht versucht? Meinst du, es macht mir nichts aus?«
»Es macht dir nicht genug aus.«
»Es macht mir eine Menge aus! Ich mache Vorschläge, aber solange ich nicht die Hand am Schwertgriff und ein irres Glitzern in den Auge habe, hört die Hälfte der Leute einfach nicht zu. Glaubst du, das gefällt mir?«
»Aber du tust es trotzdem …«
»Du erkennst nicht, wie sehr mir das zusetzt, und du wirst es wohl nie verstehen. Das ist ein weiterer Grund dafür, dass ich nicht viele Männer hier haben will. Du bist einer der Besten, die meisten sind wie Gerlich oder dieses Wiesel Narliat.«
Nylan schüttelte den Kopf. »Ich bin aber nicht wie sie.«
»Nein, das bist du nicht. Aber was soll ich jetzt machen? Und komm mir nicht mit Allgemeinplätzen. Was konkret soll ich tun?«
»Verwandle mich nicht mit künstlichen Befruchtungen in einen Zuchthengst.«
»Gut. Versprichst du mir, dass du gegen Ende des Sommers mit drei weiteren Wächterinnen, die ich aussuche, ins Bett gehst?«
»Ich bin doch nicht Gerlich.«
»Nein. Aber wir brauchen Kinder, wenn Westwind überleben soll. Und wenn Westwind nicht überlebt, haben die meisten Frauen auf diesem Planeten kein lebenswertes Leben zu erwarten.«
»Du brauchst große Ziele, nicht wahr?«, fragte Nylan. »Du musst etwas haben, das das Leben für dich lohnend macht.«
»Hast du wirklich so lange gebraucht, um das herauszufinden?« Ryba lachte bellend, Dyliess murmelte etwas und drehte sich auf der rauen Decke um. Die Marschallin beugte sich vor und bewegte die Wiege hin und her. »Ich will mehr als nur überleben, genau wie du, Nylan. Du gibst es bloß nicht zu. Du bringst dich beinahe um, um einen Turm zu bauen, der Jahrhunderte überdauern wird, aber du willst es nicht zugeben. Du läufst Gefahr, wegen deiner Bauwut ausgelacht zu werden, aber du gibst nicht zu, dass auch du größere Ziele im Auge hast.«
Die Marschallin hielt inne und dachte einen Augenblick nach. »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Du hast mich gebeten, etwas zu tun, und ich habe gesagt, ich würde mich nach dir richten, wenn du mir eine Alternative bietest.«
»Ich weiß nicht.« Nylan sah Dyliess an.
»Ich dachte immer, Männer freuen sich, wenn sie einen Harem bekommen.« Ryba zuckte mit den Achseln. »Wir können es auch so belassen, wie es ist. Es ist etwas unangenehm, aber …«
»Ich bin nicht Gerlich, ich muss darüber nachdenken.« Nach einem letzten Blick zu Dyliess drehte Nylan sich um und ging die Treppe hinunter, zur großen Südtür hinaus in den Schatten, der vom kalten Norden her aufs Dach der Welt fiel. Er
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