Sturz Der Engel
stehen Euch zur Verfügung.«
Der große Mann beansprucht den hohen Hocker, beugt sich vor und wartet, dass auch Hissl sich setzt. Der uniformierte Bewaffnete bleibt an der Tür stehen.
»Warum habt Ihr so lange gebraucht?«, fragt Hissl.
»Ich bitte um Verzeihung, Ser Magier, aber es hat tatsächlich länger als vorgesehen gedauert, das zu erledigen, was notwendig war.«
»Was notwendig war?«
Der Fremde lächelt kalt. »Hierher zu reisen. Münzen zu beschaffen. Münzen sind, wie ich erfahren habe, notwendig. Denn Gold ist die Muttermilch der Ehrgeizigen, nicht wahr?«
»Diese Redensart ist mir neu«, erklärt Hissl.
»Ihr wollt eine mächtige, einflussreiche Position bekleiden. Das kann ich Euch bieten. Mit Eurer Hilfe können wir Westwind einnehmen …«
»Westwind?«
»Das Dach der Welt. Wenn wir Westwind eingenommen haben, wird der Herr von Lornth, wie ich erfahren habe, sich äußerst dankbar zeigen.« Wieder wischt sich der große Mann die Stirn ab.
»So erzählt man es sich«, erwidert Hissl vorsichtig.
»Wenn man Westwind einnehmen will, braucht man viererlei Dinge: eine gute Taktik, die auf Wissen beruht, eine ausreichende Anzahl von Bewaffneten, einen guten Anführer und einen sehr guten Magier.« Der Fremde sieht Hissl offen in die Augen. »Ihr seid, wie man hört, ein sehr guter Magier. Ihr dürftet außerdem nicht unvermögend sein und Kontakte haben, die helfen, für unsere Münzen Bewaffnete zu kaufen.«
»Manch einer würde behaupten, dass Ihr etwas Unmögliches vorschlagt. Etliche sind bei einem solchen Versuch bereits gestorben.« Hissls Blick wandert zum leeren Spähglas auf dem Tisch, dann zum halb vollen Becher Wein.
»Unmöglich ist es sicher nicht. Schwierig vielleicht, aber nicht unmöglich.«
Hissl hebt die Augenbrauen.
»Wenn wir Westwind einnehmen, könnt Ihr die Ländereien und den Titel haben, wie Fürst Sillek es angeboten hat. Ich will Westwind bekommen und dem Fürsten meine unverbrüchliche, treue Gefolgschaft anbieten. Ich glaube, er wird annehmen«, erklärt der Fremde.
»Wie kann ich Euch vertrauen?«, fragt Hissl offen heraus. »Ihr fordert mich auf, ein großes Risiko auf mich zu nehmen. Warum bietet Ihr mir den Löwenanteil an?«
Der Fremde spreizt die Finger und wischt sich wieder die Stirn ab. »Schaut Euch an. Ihr tragt warme Kleidung. Narl … Der Bewaffnete hier trägt einen Mantel. Ich trage so wenig, wie es nur eben möglich ist, und mir ist immer noch heiß. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich das Hochgebirge nie verlassen. In einem heißen Sommer in der Tiefebene würde ich umkommen.« Der Mann schaudert. »Einen Besitz im Flachland könnte ich nicht annehmen, und wenn man ihn mir aufzwingen würde.«
»Woher soll ich wissen, dass Ihr die Wahrheit sagt?«
Der Fremde wirft einen vielsagenden Blick zum Spähglas. »Ihr wisst es.«
»Warum seid Ihr zu mir gekommen und nicht zu Fürst Sillek?«
»Weil dies ihn und mich in eine schwierige Situation bringen würde. Er kann nicht direkt mit einem Mann verhandeln, der mit den Engeln zu tun hat, aber er könnte die Rückgabe seiner Ländereien akzeptieren, besonders wenn diese Rückgabe mit Hilfe eines seiner treuen Magier bewerkstelligt wird.
In gewisser Weise baue ich darauf, dass er einen Mann, der ihm die Gefolgschaft schwört, auch dann annimmt, wenn es ein Fremder ist. Aber er hat gesagt, er würde denjenigen, der die bösen Engel überwindet und Lornth das Land zurückgibt, belohnen. Da Ihr ein treuer Untertan seid, wird er Euch den Lohn nicht vorenthalten.« Der Fremde lächelt wieder.
»Wie genau wollt Ihr dies erreichen?«
»Durch Magie und mit Hilfe eines Überraschungsangriffs.« Der Fremde räuspert sich. »Seid Ihr interessiert?«
Nach einer Weile nickt Hissl. »Ja.«
XCIII
N ylan wedelte eine lästige Fliege weg. Wie er durch schmerzliche Erfahrung inzwischen wusste, handelte es sich um eine Stechfliege von der Sorte, die unangenehm zwicken konnte. Er zog das Metall aus dem Schmiedefeuer und drehte sich um. Der Schmiedeofen war inzwischen fast bis zum Dach hochgezogen, konnte aber dennoch nicht die Nachmittagssonne verdecken, die auf den behelfsmäßigen, oft verbeulten und wieder ausgebeulten Amboss fiel.
Huldran nahm die Zange, Nylan hob den Hammer und machte sich bereit, den nächsten Satz Pfeilspitzen zu schneiden. Er fragte sich, ob Fierral irgendwann einmal genug Pfeilspitzen haben würde. Aber andererseits – kam es denn überhaupt einmal vor, dass ein militärischer
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