Sturz Der Engel
Befehlshaber genügend Munition hatte?
Er lachte, als er zu arbeiten begann.
»Ser?«, fragte Huldran.
»Befehlshaber haben nie genug Munition.«
»Wenn Ihr meint, Ser«, sagte Huldran verwirrt.
Nylan hob den Hammer, hielt aber gleich wieder inne, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah. Er drehte sich um. Ydrall, deren dunkles Haar inzwischen kurz geschnitten war, rannte die Straße herauf. Nylan ließ den Hammer sinken, hob ihn wieder und stanzte Pfeilspitzen aus, bis die neue Wächterin die Schmiede betrat.
»Ser?«, keuchte sie atemlos.
Nylan legte den Hammer weg und verscheuchte wieder einmal eine der lästigen Stechfliegen. »Ja?«
»Istril und Jaseen sagen, Ihr sollt kommen«, sagte sie auf Alt-Anglorat. »Ellysia ist sehr krank und die andere Heilerin ist auf einer Handelsexpedition.«
»Was ist mit Ellysia?«, wollte Huldran wissen.
»Sie ist krank, sehr krank.« Nylan drehte sich um. »Jetzt kannst du allein erproben, was du gelernt hast. Ich schicke dir jemanden, der die Zange hält.«
Eiligen Schrittes, beinahe schon laufend, begab sich Nylan zuerst ins Badehaus, um sich Schmutz und Schmiere abzuwaschen, ehe er den Turm betrat.
Ryba, die Dyliess im Tragetuch verstaut hatte, erwartete ihn am Fuß der Treppe. »Haben sie dich gerufen? Gut. Sie ist wirklich sehr krank.«
»Ich werde tun, was ich kann. Aber Ayrlyn könnte mehr ausrichten. Ach ja, würdest du eine Wächterin einteilen, die Huldran hilft, während ich weg bin? Cessya oder Weindre vielleicht? Sie versucht, Pfeilspitzen zu schmieden.«
»Ich kümmere mich darum.«
»Danke.« Nylan eilte die Treppe hinauf.
Jaseen saß neben dem Bett. Ein paar Schritte entfernt stand Istril. Sie hielt Dephnay auf dem Arm und schaukelte die Wiege, in der Weryl lag. Ellysias Gesicht war fleckig und blass. Nylan konnte die Hitze unter der Haut spüren. Ihr ganzer Körper war in Schweiß gebadet und von einem unsichtbaren Weiß getränkt.
»Was ist das nur?«, murmelte Nylan an Jaseen gewandt.
»Eine massive Infektion, würde ich sagen. Wir haben keine Möglichkeit mehr, eine gründliche Diagnose zu stellen, und die hübschen Nanotechsonden sind auch alle.«
»Bitte … helft mir, Ser.« Ellysias Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Nylan holte tief Luft und schickte seine Wahrnehmung aus. Er versuchte, einen Brennpunkt zu finden, das Zentrum der Infektion, aber es schien keines zu geben. Überall im Körper der erkrankten Frau waberte das gleiche Weiß.
Er wünschte, er wüsste mehr über Medizin und die Systeme des Körpers. Nach einer kleinen Pause schickte er noch einmal seine Sinne aus. Dieses Mal konzentrierte er sich auf den Kreislauf und versuchte, das bisschen Ordnung zu verstärken, das er dort noch vorfand.
Hatte Ellysias Gesicht ein wenig Farbe bekommen? Hatte er das Weiß eine Winzigkeit zurückgedrängt?
»Mir ist … so heiß … tut etwas … nicht nur anschauen …«
»Er tut schon etwas, Ellysia. Heiler heilen mit ihren Gedanken«, erklärte Istril, die hinter Nylan stand.
Nylan konnte spüren, dass die Spur Ordnung, die er ihr eingeflösst hatte, sofort wieder von der weißen Flut überschwemmt wurde. Noch einmal konzentrierte er sich und versuchte, die innere Ordnung der Frau zu stärken und einen Deich gegen die Infektion aufzubauen.
Es verschwamm ihm vor den Augen und er bekam Kopfschmerzen. Eine Weile starrte er den Boden an und konnte nichts mehr sehen. Seine Knie zitterten und er sank neben der Liege, die aus einem Landefahrzeug stammte, auf den Boden. Er musste sich festhalten, weil sich der Raum um ihn zu drehen schien, und dennoch wusste er, dass er noch lange nicht genug getan hatte.
Er griff hinaus, aber es war zu spät. Es wurde dunkel um ihn.
Er kam zu sich, als jemand ihm ein feuchtes Tuch auf die Stirn legte. Sein Blick fiel auf silbernes Haar.
»Ellysia?«, fragte er.
Istril schüttelte den Kopf. »Es ging ihr vorübergehend besser, aber es hat nicht angehalten.«
Nylan wollte den Kopf schütteln, unterbrach sich aber mitten in der Geste. Sogar die kleine Bewegung tat schon weh.
Istril tupfte ihm noch einmal die Stirn ab. »Ihr habt Euch überanstrengt, das konnte ich spüren.«
»… hat nicht ausgereicht …«
»Ihr müsst etwas trinken.« Sie hielt ihm einen Becher hin.
Nylan richtete sich auf, bis er angelehnt sitzen konnte. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er mit dem Schmiedehammer bearbeitet. Die Triangel rief zum Abendessen, aber er war im Augenblick schon froh, dass er wenigstens
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