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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Männer lachten nur umso lauter. Billy bekam Gewissensbisse und beschloss, sich bei Jesus zu entschuldigen, weil er ein schlimmes Wort benutzt hatte. Aber wenigstens kam er sich nicht mehr ganz so erbärmlich vor.
    Er schaute Tommy an, dessen Gesicht kreidebleich war. Hatte Tommy ebenfalls geschrien? Billy hatte Angst, ihn danach zu fragen; schließlich konnte die Antwort Nein lauten.
    Dann endlich hielt der Korb, das Gatter wurde aufgerissen, und die beiden Jungen traten mit weichen Knien in den Füllort.
    Es war düster. Die Grubenlampen spendeten noch weniger Licht als die Paraffinwandleuchten zu Hause. In der Grube war es finster wie in einer mondlosen Nacht. Vielleicht muss man nicht gut sehen können, um Kohle zu hauen, überlegte Billy und platschte durch eine Pfütze. Als er auf den Boden schaute, sah er überall Lachen aus Wasser und Schlamm, in denen sich schimmernd das schwache Lampenlicht spiegelte. Er hatte einen seltsamen Geschmack im Mund, denn in der Luft hing schwer der Kohlenstaub. Konnten Menschen den ganzen Tag so schlechte Luft atmen, ein so »mattes Wetter«? Wahrscheinlich war das der Grund dafür, dass Bergleute ständig husteten und ausspuckten.
    Vier Männer warteten darauf, in den Korb steigen und ausfahren zu können. Jeder trug einen Lederkasten, und Billy begriff, dass es Wettermänner waren. Jeden Morgen, ehe die Bergleute mit der Arbeit anfingen, prüften die Wettermänner die Stollen auf Grubengas. War zu viel Methan in der Luft, befahlen sie den Hauern, mit dem Kohlemachen zu warten, bis die Bewetterung das Gas abgeführt hatte.
    In der Nähe sah Billy eine Reihe kleiner Ställe für die Ponys und eine offene Tür zu einem hell erleuchteten Raum mit einem abgewetzten Sekretär, offenbar eine Schreibstube für die Steiger. Die Hauer verteilten sich inzwischen auf die vier Gänge, die von der Sohle wegführten. Die Gänge unter Tage nannte man »Strecken«; sie führten zu den »Örtern«, wo die Kohle gehauen wurde.
    Price ging mit Billy und Tommy zu einem Verschlag und öffnete ein Vorhängeschloss. In dem Verschlag lagerte Werkzeug. Er wählte zwei Schaufeln aus, reichte sie den Jungen und schloss wieder ab.
    Sie gingen zu den Ställen. Ein Mann, der nur kurze Hosen und Schuhe trug, schaufelte schmutziges Stroh aus einem der Ställe in einen Förderwagen. Schweiß rann ihm den muskelbepackten Rücken hinunter. Price fragte ihn: »Brauchst du einen Jungen, der dir zur Hand geht?«
    Der Mann drehte sich um, und Billy erkannte Dai Ponies, einen Ältesten der Bethesda-Kapelle. Dai ließ sich nicht anmerken, ob er Billy erkannte. »Den Kleinen will ich nicht«, sagte er.
    »In Ordnung«, sagte Price. »Der andere ist Tommy Griffiths. Er gehört dir.«
    Tommy blickte zufrieden drein. Sein Wunsch war in Erfüllung gegangen: Er durfte in den Ställen arbeiten, selbst wenn er nur ausmistete.
    »Komm mit, Billy Twice.« Price stapfte in einen Stollen hinein.
    Billy schulterte seine Schaufel und folgte dem Steiger. Jetzt, wo Tommy nicht mehr bei ihm war, wurde er unsicher. Wäre er doch zusammen mit seinem Freund zum Ausmisten eingeteilt worden! »Was soll ich denn tun, Mr. Price?«, fragte er.
    »Kannst du’s dir nicht denken?«, entgegnete Price. »Was meinst du, wofür ich dir die verdammte Schaufel gegeben habe?«
    Billy war entsetzt, wie beiläufig Price das schlimme Wort benutzte. Außerdem hatte er immer noch keine Ahnung, was er arbeiten sollte. Aber er stellte keine Fragen mehr.
    Die Strecke hatte einen runden Querschnitt; das Hangende wurde von gebogenen Stahlträgern gestützt. Eine zweizöllige Rohrleitung, die Wasser führte, verlief unter der Decke. Sie diente dazu, die Strecke in der Nacht zu berieseln, um den Kohlenstaub zu binden, der nicht nur für die menschliche Lunge ungesund war – wäre es bloß das gewesen, hätte Celtic Minerals die Sache wohl gar nicht gekümmert –, sondern auch eine Brandgefahr darstellte. Allerdings war die Berieselung unzureichend. Dah hatte sechszöllige Rohre gefordert, doch Generaldirektor Jones hatte sich geweigert, das nötige Geld zu bewilligen.
    Nach ungefähr einer Viertelmeile bogen sie in eine leicht abfallende Strecke ein. Es war eine Richtstrecke, die dem Flöz folgte. Sie war kleiner und älter als die Hauptstrecke, denn hier gab es Stützhölzer statt Stahlträger. Price musste den Kopf einziehen, wenn das Hangende zu tief kam. In Abständen von ungefähr dreißig Yards kamen sie an Eingängen zu Örtern vorbei, wo die Hauer

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