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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Dutzend verschiedener Muster, und überall standen gerahmte Fotografien und Vasen mit getrockneten Gräsern.
    Ein Diener reichte Walter eine Tasse Tee und bot ihm Milch und Zucker an. Walter war glücklich, in Mauds Nähe zu sein, aber wie immer wollte er mehr, und sofort überlegte er, wie er es schaffen könnte, mit ihr allein zu sein, und sei es nur für ein paar Minuten.
    Die Herzogin sagte: »Das Problem ist natürlich die Schwäche der Türken.«
    Die wichtigtuerische alte Fledermaus hat recht, dachte Walter. Das Osmanische Reich war auf dem absteigenden Ast, und ein konservativer Klerus widersetzte sich jeder Modernisierung. Über Jahrhunderte hinweg hatte der türkische Sultan für Ordnung auf dem Balkan gesorgt, von der griechischen Küste bis nach Ungarn, doch nun zogen die Türken sich Jahrzehnt für Jahrzehnt weiter zurück. Die benachbarten Großmächte, Österreich und Russland, versuchten, dieses Vakuum zu füllen. Zwischen Österreich und dem Schwarzen Meer lagen in einer Linie Bosnien, Serbien und Bulgarien. Vor fünf Jahren hatte Österreich die Kontrolle über Bosnien übernommen, und nun lag es im Streit mit dem mittleren der drei Länder, Serbien. Wenn die Russen auf die Landkarte schauten, sahen sie, dass Bulgarien der nächste Dominostein war, und dass Österreich irgendwann die Westküste des Schwarzen Meeres kontrollieren und dadurch den Überseehandel Russlands bedrohen würde.
    Gleichzeitig dachten die Völker Österreich-Ungarns mehr und mehr darüber nach, dass sie sich eigentlich auch selbst regieren könnten … was der Grund dafür war, weshalb der bosnische Nationalist Gavrilo Princip in Sarajevo Erzherzog Franz Ferdinand erschossen hatte.
    Walter sagte: »Es ist eine Tragödie für Serbien. Ich könnte mir denken, dass der serbische Premierminister kurz davorsteht, sich in die Donau zu stürzen.«
    »Sie meinen die Wolga«, sagte Maud.
    Walter schaute sie an, dankbar für die Gelegenheit, ihren Anblick in sich aufsaugen zu können. Sie hatte sich umgezogen. Nun trug sie ein dunkelblaues Teekleid über einer rosafarbenen Spitzenbluse, dazu einen rosa Filzhut mit blauem Pompon. »Nein, die meine ich gewiss nicht, Lady Maud«, sagte er.
    »Die Wolga fließt durch Belgrad«, erklärte Maud, »und Belgrad ist die Hauptstadt von Serbien.«
    Erneut wollte Walter widersprechen, zögerte dann aber. Maud wusste genau, dass die Wolga mehr als tausend Meilen von Belgrad entfernt war. Was hatte sie vor? »Ich widerspreche nur ungern jemandem, der so gut informiert ist wie Sie, Lady Maud«, sagte er. »Trotzdem …«
    »Wir werden das nachschlagen«, unterbrach sie ihn. »Mein Onkel, der Herzog, verfügt über eine der größten Bibliotheken in London.« Sie stand auf. »Kommen Sie mit, dann werde ich es Ihnen beweisen.«
    Das war kühn für eine wohlgeborene junge Dame, und so schürzte die Herzogin denn auch die Lippen.
    Walter mimte ein hilfloses Schulterzucken und folgte Maud zur Tür.
    Für einen Moment sah es so aus, als würde Lady Hermia sie begleiten, aber sie saß so bequem auf ihrem dick gepolsterten Stuhl mit einer Tasse in der Hand und einem Teller auf dem Schoß, dass es ihr dann doch zu mühsam erschien. »Bleibt nicht zu lange«, sagte sie leise und aß ein Stück Kuchen. Dann waren die beiden Verliebten aus dem Zimmer.
    Maud ging vor Walter durch die Eingangshalle, wo zwei Lakaien wie Wachsoldaten standen. Vor einer Tür blieb sie stehen und wartete, bis Walter sie öffnete. In dem großen Raum, in den sie gelangten, herrschte Stille. Sie waren allein. Maud warf sich in Walters Arme. Er drückte sie an sich, und sie hob ihr Gesicht. »Ich liebe dich«, sagte sie und küsste ihn gierig.
    Nach einer Minute löste sie sich atemlos von ihm. Walter schaute sie verliebt an. »Du bist wirklich unerhört«, sagte er. »Die Wolga fließt durch Belgrad?«
    »Es hat doch funktioniert, oder?«
    Walter schüttelte bewundernd den Kopf. »Das wäre mir nie eingefallen. Du bist wirklich klug.«
    »Wir brauchen einen Atlas«, sagte sie. »Falls jemand hereinkommt.«
    Walter ließ den Blick über die Regale schweifen. Dies hier war eher die Bibliothek eines Sammlers als die eines Lesers. Sämtliche Bücher hatten schmucke Einbände und sahen aus, als wären sie nie aufgeschlagen worden. In einer Ecke standen ein paar Nachschlagewerke. Walter zog einen Atlas heraus und schlug eine Karte des Balkans auf.
    »Diese Krise …«, sagte Maud besorgt. »Sie wird uns doch nicht einander entfremden,

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