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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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das zu einem Seitenscheitel frisiert war, und trug eine Brille mit dicken Gläsern. Er war genauso alt wie Walter und hatte ebenfalls einen Vater im diplomatischen Dienst, doch trotz ihrer vielen Gemeinsamkeiten waren sie nicht gerade Freunde. Für Walter war Gottfried einfach nur ein Stiefellecker.
    Er nickte Gottfried zu, setzte sich und sagte: »Der österreichische Kaiser hat unserem Kaiser einen Brief geschrieben.«
    »Das wissen wir«, sagte Gottfried.
    Walter ignorierte ihn. Gottfried stichelte für sein Leben gern. »Zweifellos wird die Antwort Seiner Majestät freundschaftlich ausfallen«, wandte Walter sich an seinen Vater. »Aber von den Nuancen könnte verdammt viel abhängen.«
    »Seine Majestät hat sich mir noch nicht anvertraut.«
    »Aber das wird er.«
    Otto nickte. »Genau solche Fragen bespricht er manchmal mit mir, das ist wahr.«
    »Und wenn er zur Vorsicht mahnt, werden die Österreicher vielleicht nicht mehr ganz so kriegerisch auftreten.«
    »Warum sollte er?«, meldete Gottfried sich zu Wort.
    »Um zu vermeiden, dass Deutschland in einen Krieg um ein so wertloses Gebiet wie Bosnien hineingezogen wird!«
    »Wovor haben Sie denn Angst?«, fragte Gottfried verächtlich. »Vor der serbischen Armee?«
    »Ich habe Angst vor der russischen Armee, und Sie sollten ebenfalls Angst davor haben«, erwiderte Walter. »Sie ist die größte Armee in der Geschichte, und …«
    »Ich weiß«, sagte Gottfried.
    Walter ignorierte die Unterbrechung. »Theoretisch kann der Zar binnen weniger Wochen sechs Millionen Mann ins Feld schicken, und …«
    »Ich weiß.«
    »… und das ist mehr als die Gesamtbevölkerung Serbiens.«
    »Ich weiß.«
    Walter seufzte. »Sie scheinen ja alles zu wissen, von Kessel. Wissen Sie auch, woher die Attentäter ihre Waffen und Bomben hatten?«
    »Von slawischen Nationalisten, nehme ich an.«
    »Und welche slawischen Nationalisten im Speziellen, nehmen Sie an?«
    »Wer weiß?«
    »Die Österreicher wissen es offenbar. Sie glauben, die Waffen kamen vom Chef des serbischen Nachrichtendienstes.«
    Otto grunzte überrascht. »Das würde die Österreicher rachsüchtig stimmen.«
    Gottfried sagte: »Österreich wird noch immer von seinem Kaiser regiert. Letzten Endes kann nur er einen Krieg befehlen.«
    Walter nickte. »Nicht dass der Habsburger-Kaiser je einen Grund gebraucht hätte, erbarmungslos und brutal zu sein.«
    »Wie soll man ein Reich sonst regieren?«
    Walter schluckte den Köder nicht. »Außer dem ungarischen Premierminister, der kein sonderliches Gewicht hat, scheint niemand zur Vorsicht zu mahnen. Diese Rolle fällt also uns zu.« Walter stand auf. Er hatte seine Informationen weitergegeben und wollte nicht länger im selben Raum sein wie der dämliche Gottfried. »Wenn du mich jetzt entschuldigst, Vater. Ich möchte zum Tee im Hause der Herzogin von Sussex. Vielleicht höre ich ja dort, was man sich sonst noch in der Stadt erzählt.«
    »Engländer empfangen sonntags keine Besucher«, sagte Gottfried.
    »Ich habe eine Einladung«, erwiderte Walter und verließ das Zimmer, ehe er die Geduld verlor.
    Er ging durch Mayfair in die Park Lane, wo der Herzog von Sussex seinen Palast hatte. Der Herzog spielte keine Rolle in der britischen Regierung, aber die Herzogin unterhielt einen politischen Salon. Als Walter im Dezember in London eingetroffen war, hatte Fitz ihn der Herzogin vorgestellt, die dafür gesorgt hatte, dass er überall eingeladen wurde.
    Fitz betrat den Salon, verbeugte sich, schüttelte die füllige Hand der Herzogin und sagte: »Jeder in London will wissen, was in Serbien geschehen wird. Also bin ich gekommen, Hoheit, Sie danach zu fragen, auch wenn heute Sonntag ist.«
    »Es wird keinen Krieg geben«, sagte die Herzogin. Sie schien sich nicht bewusst zu sein, dass Walter nur einen Scherz gemacht hatte. »Setzen Sie sich, und nehmen Sie sich eine Tasse Tee. Natürlich ist das mit dem Erzherzog und seiner Frau eine Tragödie, und ohne Zweifel wird man die Übeltäter bestrafen, aber es ist dumm zu glauben, solch große Nationen wie Deutschland und Großbritannien würden wegen Serbien in den Krieg ziehen.«
    Walter wäre sich da auch gerne so sicher gewesen. Er nahm sich einen Stuhl in der Nähe von Maud, die glücklich lächelte. Lady Hermia nickte ihm zu. Gut ein Dutzend Personen befanden sich im Raum, darunter der Erste Lord der Admiralität, Winston Churchill. Der Dekor war prachtvoll, jedoch außer Mode: viel zu schwere Möbel und dicke Stoffe in einem

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